Rumänien

Rumänien ist anders…

Einige Kilometer weiter gilt es Abschied zu nehmen von Serbien. Über den riesigen Damm geht es rüber nach Rumänien. Eines können wir der EU versichern. Über diese EU-Aussengrenze kommt keiner so schnell – zu gross ist das Chaos :-)!

 

Landschaftlich und verkehrsmässig ist es in Rumänien nicht viel anders als in Serbien. Und doch fühlen wir uns etwas unsicher. Einige Kilometer nach Drobeta-Runu Severin finden wir ein Hotel. Preis und Standard klaffen zwar sehr auseinander, doch was soll’s wir wollen einfach nur ankommen. Morgen sieht dann der Tag anders aus.

 

Beim Abendessen badet Paddy dann noch seine Füsse in der Donau, schlägt mit dem Kehlkopf auf die Stuhllehne und verstaucht sich auch noch den Fuss – ein Brett war morsch. Nach seinem Velosattel ist auch noch Paddy selber etwas lädiert.

 

Ein ereignisreicher Tag geht zu Ende. Mal sehen wie es weiter geht in Rumänien.

 

Tagesstrecke: 65 km

 

29.05.2010

Simian - Calafat

 

Das Frühstück verspätet sich um eineinhalb Stunden… das Personal soll doch auch ausschlafen können. Und so früh am Morgen (8 Uhr), ist es sowieso unchristlich frühstücken zu wollen.

So fahren wir dann um halb zehn los.

 

Unsere Radweg-Karten lassen uns wieder einmal im Stich d.h. die saftigen Steigungen sind falsch oder gar nicht eingezeichnet. Dennoch, wir beissen durch und schaffen die gewaltige Höhendifferenz von 150 Metern innert „kürzester“ Zeit (keuch, hechel…).

Wir entschliessen uns wieder einmal, nicht der Donau zu folgen und damit ungefähr eine Tagesetappe einzusparen. Dennoch sind es 90 Kilometer bis nach Calafat.

 

Die EU hat schon sehr deutliche Spuren in Rumänien hinterlassen. Die Nebenstrasse ist in EU-Manier zu einer teilweise 3-spurigen Strasse ausgebaut. Wir sind froh. Die Anwohner der Strasse wahrscheinlich auch. Die Frage ist nur wer fährt auf der Strasse? Wir können uns nicht über all zu hohes Verkehrsaufkommen beklagen. Dazu hat die Strasse eine Art schmalen Pannenstreifen auf dem wir dahin brausen.

 

Heute sind wir wahre Spitzenathleten. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt sagenhafte 18km/h. So schaffen wir die 90 Kilometer in weniger als 5 Stunden.

 

Eines müssen wir an dieser Stelle gestehen: Es ist uns ein Rätzel wie andere 150 und mehr Kilometer pro Tag zurücklegen. Man kann uns zugutehalten, dass wir noch das ganze Camping- und Küchenmaterial sowie Lebensmittel mitschleppen, das sind pro Person sicher gute 15 kg. Wirklich wohl ist uns aber dennoch nur, wenn wir die 60 Kilometer nicht überschreiten. Dann haben wir noch genügend Reserven für Besichtigungen, Kochen und anderes.

 

Calafat überrascht uns. Es ist ein schönes Städtchen mit vielen schönen Häusern, die zwar die besten Zeiten hinter sich haben, doch viele sind wieder einigermassen zu recht gemacht worden. Auch die Fussgängerzone in der Innenstadt ist wirklich schön. Die Stadt liegt am Abhang zur Donau. So führen die Hälfte aller Strassen zur Donau hinunter. Gesäumt werden alle Strassen von wunderschönen dichten Bäumen. Es lohnt sich wirklich genauer hinzuschauen.

 

Wir fragen uns, was in Rumänien passiert ist, dass das Land in den letzten 100 Jahren so verarmt ist. Alles was wir sehen, weist darauf hin, dass hier einmal viel Geld vorhanden war. Es ist wirklich schade, dass die Gebäude nicht besser unterhalten werden (können).

 

Tagesstrecke: 98 km

 

30.05.2010

Calafat

 

06.30 Uhr, Aufstehen!

Ächz, krach, stöhn, wir sind wie gerädert. 5 Tage haben wir uns jetzt abgeschuftet. Die Überlegung, dass wir einen Ruhetag einschalten ist naheliegend.

Nach einigem Abwägen der Vor- und Nachteile, vor allem nach einem detaillierten Kalkulieren der Reststrecke und der zur Verfügung stehenden Zeit, entscheiden wir uns für’s Nichtstun. So drehen wir uns wieder um und Verschlafen den grössten Teil des Tages. Wie sich herausstellt, eine weise Entscheidung, denn wie wir im Fernsehen sehen, gehen weiter östlich auf unserer Route heftige Gewitter nieder und Bukarest hat sogar Hochwasser.

 

31.05.2010

Calafat - Zaval

 

06.30 Uhr, Aufstehen!

Jetzt gibt es kein Pardon. Heute geht’s weiter. Bereits um 07.30 Uhr (06.30 Uhr MEZ) sitzen wir im Sattel, das ist ein Rekord, so früh sind wir noch nie unterwegs gewesen.

 

Sehr anspruchsvoll oder abwechslungsreich ist die Fahrt nicht. Die Strasse ist nicht mehr ganz EU-Standard aber dennoch recht gut.

 

Praktisch jedes Auto hupt uns aufmunternd zu und in den Dörfern rufen uns die Leute nach. Die Kinder am Strassenrand halten die Hände raus, um mit uns abzuklatschen und in jedem 2. Dorf winkt man uns anzuhalten, um einen kurzen Schwatz zu halten. Meist können die Leute weder Englisch, noch Deutsch, noch Italienisch oder sonst irgendeine andere Sprache als Rumänisch. Irgendwie finden wir dann aber doch immer den Weg. Ein paar Brocken Italienisch, 3 Wörter Serbisch, 2 Wörter Griechisch, die gängigsten Englischen Schlagwörter und dazu Hände und Füsse. Wir erfahren doch einiges über die Leute und auch sie über uns. (Vor allem, dass sie gerne Knoblauch haben… puhh!)

 

Von zwei Deutschen, die wir trafen, haben wir die Empfehlung bei einem Campingplatz am Fluss gleich nach Gighera (in Zaval) zu übernachten. Als wir im Dorf vor dem Campingplatz noch etwas zu Essen einkaufen, brauen sich bereits dunkle Gewitterwolken über unseren Köpfen zusammen. Die Farben sind gewaltig. Dunkel schwarz-blau der Himmel, leuchtend silbrig-grün die Landschaft. Sagenhafte Kontraste.

 

Noch schnell ein Foto, dann beeilen wir uns zum Campingplatz. Wie es sich herausstellt, hat es auch noch kleine Bungalows. Der Innenraum ist gerade gross genug für 2 Betten. Angesichts des aufziehenden Gewitters und der schweren Tropfen, die bereits herunter klatschen, entscheiden wir uns für ein Bungalow.

 

Kaum haben wir unsere 7 Sachen drinnen, geht draussen ein mächtiger Wolkenbruch nieder. Schnell stellt sich Paddy noch mit seinem verschwitzten Hemd raus, dann ist nämlich auch das noch gewaschen.

 

Wie es scheint, ist dieser Camping der Angelpunkt aller Radler. Wir sind doch sage und schreibe 4 Partien. 2 mal Deutsch und 2 mal Schweiz.

 

Tagesstrecke: 85 km

 

01.06.2010

Zaval - Turnu Magurele

Nass...

Die ganze Nacht hat es geregnet und stark gewindet. Wollen wir da wirklich raus? Immer noch regnet und windet es.

 

Nach längerem hin und her entscheiden wir uns für die Weiterfahrt. Also alles regendicht machen und Regenzeug anziehen. Damit die Schuhe nicht nass werden, ziehen wir die Sandalen an.

Bereits nach 20 Kilometern ist Paddy durchgeschwitzt. Zuerst meint er das jedenfalls, doch nach Hemdwechsel und weiteren 10 Kilometern ist klar, die Jacke ist nicht wasserdicht. Bald schon steht das Wasser in den Ärmeln. Das ist so was von ärgerlich, die Jacke ist noch kein Jahr alt. Am Anfang der Reise war sie noch dicht, oder wir haben die Feuchtigkeit in der Jacke bereits damals fälschlicherweise als Schweiss und Kondenswasser angesehen.

 

Interessanterweise hatte bereits Annaik (die Belgierin) vor 1 Monat eine neue Jacke gekauft, nachdem sich ihre Jacke vom gleichen Hersteller als undicht herausgestellt hatte (Jakob Wolfshaut).

Doch Wasser wärmt. Deshalb alle Luken dicht machen, das warme Wasser drin behalten und weiterradeln. Um 16.00 Uhr und nach fast 90 Kilometer, fahren wir in Turnu Magurele ein – immer noch bei strömendem Regen. Auch das Hotel finden wir nach einigem Suchen und vergeblichem fragen (hier wurden wir von Passanten zum Teil beflissentlich ignoriert, wenn wir sie angesprochen haben). Die Dusche ist heiss und das Zimmer gross… ahhh, endlich warm. Jetzt nur noch Füsse hoch und entspannen. Wenn da nur nicht das Gepolter vom Nachbarzimmer wäre und das immer lauter werdende Gestöhne und Gejaul. Die Geräuschkulisse ist schon fast kinoverdächtig und wir müssen uns das Lachen verkneifen. Uns jedenfalls steht der Sinn zum Ausruhen.

 

Tagesstrecke: 95 km 

 

04.06.2010

Turnu Magurele - Giurgiu - Oltenita

Rumänien überrascht

Rumänien ist wirklich überraschend. Weite Felder, monotone endlose Aneinanderreihung von Dörfern in denen uns bis zur Ermüdung „Hallo“, „Hola“, „Buna siua“ zugerufen wird. Vereinzelt sind wohl auch unverstandene Unflätigkeiten dabei und auch zwischendurch mal Steine, die nachgeworfen werden.

 

Die Städte und Dörfer sind im Allgemeinen sehr sauber, aufgeräumt und grün. Omnipräsent ist jedoch überall die Armut. 300 Euro verdient eine Person im Monat durchschnittlich. Da haben wir oft Hemmung zu sagen, dass wir 1000 Euro für unsere Velos ausgegeben haben. Für diese Menschen hier ist dies der pure Luxus; unverständlich und sinnlos. Irgendwie fehlt uns dann auch die Rechtfertigung und die Erklärung dazu. – Es ist halt einfach so!

 

Dennoch, Rumänien ist ganz anders als wir uns das vorgestellt haben. Nicht dreckig und kaputt. Vieles ist zwar kaputt, denn es fehlt das Geld, um es zu reparieren, aber dafür ist es sauber. Jeden Morgen sieht man Heerscharen von Frauen auf den Strassen beim Wischen und saubermachen.

Alle Menschen arbeiten oder versuchen sich sonst irgendwie mit handeln über Wasser zu halten.

Ein Mädchen, das uns angesprochen hat, erklärte, dass wir in Westeuropa einen völlig falschen Eindruck von Rumänien haben. Viele der vermeindlichen Rumänen in Westeuropa seien Zigeuner und diese seien auch für die Rumänen ein Problem, da sie sich nicht integrieren und oft kriminell sind. Wie viel davon rumänische Vorurteile sind und wie viel Wahrheit, ist schwer zu beurteilen. Dennoch passt es zu dem Bild, das wir von Rumänien gewinnen.

 

Nach der netten Plauderei mit dem Mädchen während unserer Mittagspause, treten wir nochmals für 60 km in die Pedalen. Die letzten 30 km zeigen sich anstrengend. Hinterhältige, bellende und nachrennende Hunde in den Dörfern und oftmals sehr schlechte Strassen mit grossen Schlaglöchern, wo sich sogar die Autofahrer beim Slalom fahren nerven. Müde und stolz auf unsere Tagesstrecke von 124 km, finden wir dann auch ein gutes Hotel in Giurgiu. Und siehe da, auch die beiden Deutschen, Willi und Bruni, sowie die Tessiner, Dario und Heino, treffen kurz nach uns im gleichen Hotel ein. Und wie auch vermutet, treffen wir uns alle im Restaurant des Hotels und verbringen einen amüsanten Abend mit viel Wein.

 

Für den nächsten Tag haben wir eine Strecke von 70 km geplant. Dies genügt auch völlig. Die 124 km vom Vortag wie auch der Wein, machten sich in unseren Beinen bemerkbar. Zudem gab es noch einige Steigungen auf der Strecke nach Oltenita. Somit haben wir gar kein Verlangen, nochmals 60 km anzuhängen. Im Gegenteil, am nächsten Morgen entscheiden wir uns, wieder einen Pausentag einzulegen um Paddys Knie und Petras Achilles-Sehne zu pflegen und ruhen zu lassen. Das war wahrscheinlich doch etwas zu viel.

 

Es scheint, als haben wir an unserem Ruhetag einen kleinen Durchhänger. Seit Tagen fahren wir durch Dörfer und Landschaft die sich immer wiederholen und irgendwie können wir uns für das rumänische Volk nicht so ganz erwärmen. Was ist nur mit uns los? Es bleibt nur zu hoffen, dass sich unser Gefühl für Rumänien noch zum Positiven verändert.

 

Tagesstrecken: 127 / 78 km

 

05.06.2010

Oltenita - Calarasi

 

Der Tag geht ja schon gut los. Wir sind im Hotel eingeschlossen. Da wir die einzigen Gäste sind, dachte man wohl, dass man das Haus wohl besser abschliesst, wenn man nach Hause geht. „Todesmutig“ springt Paddy im Parterre aus dem Fenster – und verstaucht sich prompt die rechte Ferse. Kaum ist die Verstauchung am linken Fuss etwas besser kommt jetzt der rechte Fuss dran. Aber was soll’s beim velofahren braucht man die Fersen nicht.

 

Es folgt wieder ein monotoner Tag durch endlose Dörfer. Heute wird der Monotonie sogar noch eines drauf gesetzt; fast den ganzen Tag fahren wir durch ein grosses, endloses Dörfermeer. Die Dörfer entlang der Strasse sind zu einem grossen 20km langen Dorf zusammengewachsen.

Dafür sehen wir beim Mittagessen Erdhörnchen. Unglaublich. Gibt’s die denn eigentlich in Europa? Oder wurden die eingeschleppt?

 

Am frühen Nachmittag trudeln wir dann in Calarasi ein. Ein Hotel ist schnell einmal gefunden. Interessanterweise sind auch wieder Rainer und Florentine im gleichen Hotel (Die beiden begleiten uns schon fast den ganzen Weg seit wir in Rumänien sind). Gemeinsam machen wir uns dann auf, die Stadt zu erkunden – nein, nicht erkunden; Kaffee und Kuchen zu finden und dann was rechtes zu Abend essen. Kaffee und Kuchen finden wir leider nicht, dafür aber eine gemütliche Pizzeria an einem der Nebenarme der Donau.

 

Tagesstrecke: 69 km

 

06.06.2010

Calarasi - Hârsova

 

Und wir sind der Meinung: Das war Spitze!..

Was? Na, unsere Leistung heute. 95 Kilometer über offenes Land. Und permanent Sturmwind im Gesicht!

Von Calarasi brechen wir auf in Richtung Norden. Und plötzlich wird das angenehme, kühle Lüftchen, welches wir in der Stadt noch genossen haben, zu einem ausgemachten stürmischen Gegengenwind, mit Böen und allem. Obwohl die Strasse einer Rennbahn gleicht und für uns optimale Bedingungen bietet, macht uns heute der Wind einen Strich durch die Rechnung. Bereits nach 20 Kilometer sind wir am überlegen, ob wir wohl umkehren sollen. Dieser Wind ist einfach mörderisch. Selbst für Fussgänger ist es heute mühsam, in diesem Wind voran zu kommen. Doch wir bleiben hart und beissen durch.

 

Die Strecke ist wirklich schön; keine Dörfer, dafür schönster blauer Himmel, eine topfebene Strecke mit eigenem Radstreifen (natürlich kein Radstreifen sondern der Pannenstreifen). Alles ist genial gut, wenn doch nur dieser Wind nicht wäre.

 

Der heutige Tag ist ein Kampf gegen die Naturgewalten. Statt mit 20 km/h sind wir mit 10 km/h unterwegs. Paddys breite Schultern „pflügen“ zwar durch den Wind, doch Petra hat Mühe unter den böigen und sich ständig ändernden Verhältnissen im Windschatten zu bleiben. Irgendwann ist auch bei Paddy die Puste raus und wir wechseln.

 

Paddys Windschattenfahrt wird dann nach einem Auffahrcrash mit einem Taucher belohnt, den er bravourös mit einer Hechtrolle abschliesst. Doch sind jetzt nach Knöchel und Ferse halt auch noch beide Beine völlig zerkratzt. Petras Meinung, dass Paddys Beine zerkratzt und geschunden sind, wie die eines 7-jährigen Jungens werden damit bestätigt. (Paddy ist immer noch überzeugt, das war ein bewusster Mordanschlag seiner Ehefrau die auf eine Witwenrente spekuliert.)

Alle 10 Kilometer machen wir einen ausgedehnten Stopp. Wir müssen uns mit Twix, Eis und Coke (Zero!) fit halten. Wir haben absolut keine Lust einen Mittagshalt einzuschalten. Zu sehr sind wir erpicht, dass wir diesen Tag hinter uns bringen.

 

Lustig ist die Begegnung mit einem rumänischen Radfahrer an einer Tankstelle. Wir sind gerade daran unsere Glacé zu geniessen, als auf der anderen Strassenseite ein Kleinbuss anhält ein Rumäne mit Radler-Outfit raushechtet und mit seinen Clip-Schuhen über die Strasse klappert. Hallo, er sei George. Leider habe er einen Defekt an sein Fahrrad. Er sei daran in 10 Tagen 10mal die Strecke Bukarest – Constantia (270km) zu fahren. Wofür? Für sich selbst. Seine Figur ist auch dementsprechend athletisch. Nach einem kurzen Schwatz und einem Foto, tippelt er wieder über die Strasse, springt in den Bus und ist verschwunden.

 

Unsere Fahrt endet heute in einem gemütlichen Motel gleich vor Harsova. Ein grosses, kaltes Bier ist uns gewiss.

 

Tagesstrecke: 96 km

 

07.06.2010

Hârsova - Macin

Die Polizei, dein Freund und Helfer

Heute geht’s nicht mehr so weit wie gestern, nur knapp 80 Kilometer.

Gleich nach dem frühstückslosen Start merken wir, was wir verpasst haben mit unserer „Abkürzung“ – die Berge, die Steigungen und auch ein wenig die rasanten Abfahrten. Gleich nach im Dorf Harsova begrüsst uns schon die erste Steigung. Kein Problem, Knie sind frisch, Gänge runter schalten und frisch ans Werk. Bald schon folgt die zweite Steigung, dann die dritte, dann die vierte und immer weiter. Sind wir froh, dass wir nur 95 Kilometer mit stürmischem Gegenwind fahren mussten und uns nicht für die Bergvariante entschieden haben. Die Steigungen hier im „flachen“ Teil reichen uns alleweil. Zugegeben die Landschaft wird mit all den Steigungen kurzweiliger. Immer wieder kleinere Seen und bei Daeni eine ausgedehnte, wunderschöne Auenwald-Landschaft, die tief im Wasser steht. Dazwischen immer wieder Vögel, Störche, Silber- und Graureiher, Löffelreiher und Wildgänse, dazu eine Menge Bienenfresser, wunderschön gezeichnete Vögel. Es ist wirklich eine wunderschöne Fahrt heute, die uns die ganze Anstrengung vergessen lässt.

 

Doch vor Macin, unserem Zielort, holt uns dann doch die Anstrengung ein. Eine happige Steigung zum Teil über Kopfsteinplasterbelag macht uns mit unseren schweren Fahrrädern dann doch zu schaffen. Den ganzen Tag über hatten wir wieder sehr kräftigen Gegenwind, der uns jede Abfahrt versaute, doch nun in dieser finalen Steigung: Windstille! Brütende Hitze! Als wir oben ankommen sind wir klatsch nass. Doch zum Glück ist es auch auf dem Pass windstill so können wir dieses mal die brausende Talfahrt geniessen.

 

In Macin angekommen machen wir uns auf die Suche nach dem/den Hotel/s. Auffällig ist, dass in den rumänischen Städten Hotels nur dann ausgeschildert sind, wenn es mehr als eines im Dorf oder in der Stadt hat. In Macin hat es wohl nur ein Hotel. Entsprechend erfolglos verläuft unsere Suche. Schlussendlich fragen wir eine Polizei-Streife.

„Ihr sucht ein Hotel?“, fragt die Polizistin, „Kein Problem, folgt uns, wir bringen euch hin. Es ist nicht weit entfernt.“

So folgen wir dem Polizeiauto um zwei Hausecken und siehe da, hinter den Bäumen der Allee sichten wir das erhoffte Hotel. Die Polizistin gibt uns dann auch noch ihre Telefonnummer, nur für den Fall, dass wir Probleme haben, sie sei immer erreichbar für uns. Ionela und ihr Kollege Mihail sind sehr bemüht um uns. Sie organisieren den Hotel-Portier und warten vor dem Hotel bis wir alle unsere sieben Sachen ins Hotel geschafft haben.

 

Schnell duschen und dann Abendessen. Aber auch die Suche nach einem Restaurant gestaltet sich nicht eben einfach. Doch siehe da, Ionela und Mihail fahren wieder an uns vorbei. Als sie erfahren, dass wir nun auf der Suche nach einem Restaurant sind, werden wir kurzerhand (ohne Handschellen) ins Polizeiauto verfrachtet, nach unseren Wünschen für’s Abendessen gefragt und per Polizeiauto in ein gutes Restaurant am Stadtrand gebracht. Es ist klar, dass wir die beiden zu einem Drink einladen. Wie sich herausstellt, sind beide 41-ig und kennen sich schon seit dem Gymnasium. Ionela war vorher bei der Coast-Guard. Sie und ihr Mann sind beide bei der Polizei und möchten gerne ein Kind; Mihail hat zwei Töchter und ist mächtig stolz auf sie.

Die beiden sind sehr nett. Als wir vorschlagen, dass wir für den Rückweg ein Taxi bestellen, lehnen die beiden das ab. Die Bedienung wird sie anrufen, dann kommen sie und holen uns wieder ab. Diese Polizei ist wirklich dein Freund und Helfer!

Im Gespräch kommen wir auch noch auf ein ziemlich mieses Thema zu sprechen: Mädchenhandel. Wie Ionela uns erklärt, haben sie jede Menge Fälle in denen die Polizei versucht die Mädchen (und zum Teil auch Knaben) im letzten Moment noch aus den Fängen dieser modernen Sklavenhändler zu fischen. Speziell bei Ionela merkt man, dass sie dieses Thema sehr bewegt und sie sich sehr dafür einsetzt. So erzählt sie vom Fall eines Mädchens, deren Vater sie für ein Bier an einen Menschenhändler verkauft hat. Nun hätte die Polizei das Mädchen bei deren Grossmutter unterbringen können und Ionela holt das Mädchen jede Woche für ein oder zwei Tage zu sich und ihrem Mann. Gerne würde sie das Mädchen adoptieren.

Wir wünschen der Polizei weiterhin viel Erfolg bei ihrer Arbeit!

Wir hoffen, dass wir den Kontakt zu den beiden weiter aufrecht erhalten können. Sie sind uns sehr sympathisch und haben uns auf einer menschlichen Ebene berührt.

 

Tagesstrecke: 98 km

08.06.2010

Macin - Tulcea

Fast am Ziel

Heute steht uns die letzte Fahrrad-Etappe auf unserer Donauradtour bevor. Es geht von Macin nach Tulcea. All die ausgelassenen Hügel und Bergetappen scheinen sich nun rächen zu wollen. Die Strecke ist ausgesprochen hügelig. Vielleicht liegt es daran, dass wir mittlerweilen, nach all den vielen Kilometer der letzten Tage, müde sind. Ständig geht es bergauf, bergab, bergauf, bergab… endlos scheinen sich die Steigungen aneinander zu reihen. Dazu hat das Wetter entschieden, heute einen wunderschönen, wolkenlosen, windlosen Tag einzuschalten. Nun, da wir uns endlich etwas kühlenden Wind herbeisehnen, steht die Luft. Es ist einiges über 30 Grad warm und die Strasse hat keine schattenspendenden Bäume. Da bleibt uns nur eines übrig: Fahrtwind produzieren.

 

Kurz vor Tulcea kommen uns zwei Radfahrer entgegen. Als wir anhalten, stellt es sich heraus, dass es Kinder sind. Natürlich aus Frankreich. Stolz erzählen sie uns, dass sie auf der letzten Etappe einer Reise entlang des Mittelmeeres seien. Seit 11 Monaten sind sie nun schon zusammen mit ihren Eltern und ihren Geschwistern unterwegs. Kurz darauf kommen auch noch die Eltern und die restlichen Kinder. Unglaublich, zwei Erwachsene und vier Kinder 11 Monate auf den Strassen Südeuropas mit den Velos unterwegs. Wir haben schon einen ziemlichen Bammel bei all den Lastwagen, welche ständig haarscharf an uns vorbeirasen. Mit Kindern würden wir wohl in einer permanenten Hysterie leben.

 

Tulcea überfällt uns mit dem üblichen Lärm, Gehupe und Verkehr. Wir entschliessen uns zuerst einmal zu prüfen, wann ein Schiff nach Sulina fährt, denn von der französischen Familie haben wir gehört, dass die Schiffe nur ein- oder zweimal am Tag auslaufen. Wie es sich herausstellt, müssen wir das Schiff um 13.30 Uhr erwischen, nur dieses nimmt Fahrräder mit.

 

Bald ist auch ein Hotel gefunden das passt und so haben wir den Rest des Tages noch zum Schlafen, Spazieren und Essen.

 

Tagesstrecke: 78 km

09.06.2010

Tulcea - Sulina

 

Ausgeschlafen starten wir in den Tag. Tickets sind bald erworben, jetzt gilt es nur noch das richtige Schiff zu finden. Gross ist das Gedränge aller möglichen Schiffe an der Hafenmole. Ganz am Ende des Hafens finden wir dann unser Schiff.

 

Zwei Duzend Lieferwagen drängen sich nahe des Stegs, alle müssen noch schnell Ware anliefern, die nach Sulina muss. Glasscheiben, Liegestühle, Türen, Zucker, Mineralwasser, alles was man sich vorstellen kann. Zuerst halten wir uns zurück und warten bis alles verladen ist. Doch bald stellt es sich heraus, dass das Beladen wohl bis zum Ablegen dauert. Der Schiffsoffizier, der das Beladen überwacht winkt uns dann auch, dass wir mit den Velos kommen sollen. Doch wie!? Zwischen den Lieferwagen ist kaum ein durchkommen. Bis zum Steg runter führten 10 steile Stufen. Da die Donau Hochwasser führt, ist der Steg zur Schwimmmole mit wackligen Brettern verlängert. Irgendwie schaffen wir es dann aber doch, uns mit unseren schweren Rädern über alle Hindernisse hinwegzusetzen. Irgendwie schaffen wir es dann auch die Velos die schmale Gangway entlang über alle Kabelrollen und Poller hinweg zu hieven und sie wie befohlen auf dem Vordeck unterzubringen. Puhh! Geschafft!

 

Um 14.00 Uhr geht unsere letzte Etappe zu unserem Ziel los. Die 4stündige Fahrt entlang des Donau-Hauptkanals ist zuerst noch abwechslungsreich, überall sehen wir Kuhherden, Pferde, Schafe, Fischerhütten, einzelne Dörfer. Doch irgendeinmal wiederholt sich auch dieser Anblick und wir beschränken uns auf’s geniessen des kühlenden Fahrtwindes und auf Faulenzen.

Das Schiff ist in Sulina noch nicht richtig vertäut, da ist schon der erst Pensionsbesitzer an Bord gesprungen und hat uns ins Visier genommen. Er hätte schöne Zimmer, blablabla. Das nervt! Wir schicken ihn und all die anderen weg. Erst müssen wir unsere Fahrräder wieder durch die enge Gangway vom Schiff runter bringen.

 

Doch kaum vom Schiff, stehen er und seine Mitbewerber uns wieder auf den Füssen rum. Fast haben sie eine Schlägerei als es um’s Unterbieten der Preise geht – wir schleichen uns langsam davon… ein Entkommen gibt es aber nicht. So entschliessen wir uns mitzugehen und einen Augenschein zu nehmen. Die Unterkunft ist sehr einfach, in einem traditionellen Haus, das heisst, alle Zimmer sind in einer Reihe und von aussen zu erreichen. Der Badezimmerboden ist aus gestampfter Erde. Die Zimmer sind aber sauber und der riesige Garten ist wunderschön.

Christian, unser Gastgeber, führt uns dann, kaum haben wir das Gepäck abgestellt, umgehend auf eine kleine Sightseeing-Tour.

 

Zuerst geht es auf den Friedhof. Wir haben bereits gelesen, dass dieser sehr interessant ist. Mit vielen kleinen Anekdoten und Geschichten führt uns Chris dann durch die jüdischen, islamischen, italienischen, griechischen, keltischen (!), englischen und was nicht noch alles für Teile des Friedhofs. Es ist wirklich sehr ein babylonisches Völkergemisch auf diesem Friedhof. Durch die wichtige Stellung von Sulina, als es noch Sitz der Donau-Kommission war (bis ca. 1950) haben hier Menschen aus allen Herrenländer gelebt. Die Donau-Kommission hat damals als internationales Gremium, die Schiffart und Wasserwirtschaft auf der Donau kontrolliert und koordiniert. Sie war aus Vertretern aller Anrainerstaaten zusammengesetzt. Wenn man sich vorstellt, wie die Machtverhältnisse in Südosteuropa seit dem Mittelalter immer wieder verschoben haben, kann man sich vorstellen, dass praktisch alle Länder Europas einmal Einsitz in der Donau-Kommission hatten.

Am Ziel!

Vom Friedhof geht es dann zu unserem Ziel, dem Kilometer 0. Überraschung! Der ist ja direkt an der Hafenmole, direkt wo wir angekommen sind! Gleich daneben, wie beim Start vor 3047 Kilometern steht eine orthodoxe Kirche, die Michaels-Kirche.

 

Jubel!!! Wir haben es geschafft! Endlich sind wir da. Viele lange, schöne, zum Teil weniger schöne, feuchte, trockene, kalte und heisse Kilometer nach unserem Aufbruch am 1. April 2010 an der Martinsquelle, sind wir da. 71 Tage sind seit unserem Aufbruch vergangen. Gestartet sind wir eingemummt in Winterkleider, jetzt stehen wir da mit Sommerkleidern und schwitzen noch um 7 Uhr Abends. Unsere Gürtel können wir um 3 Löcher enger schnallen. Wir fahren nicht mehr dieselben Fahrräder wie bei unserem Aufbruch. Und Paddy hat auch schon einen Bart den Petra nicht besonders schön findet.

 

Der Aufbruch scheint so weit in der Vergangenheit zu liegen, Jahre zurück. So viel haben wir in der Zwischenzeit erlebt. Es ist kaum vorstellbar, dass „nur“ 2 ½ Monate seither vergangen sind.

 

Den Abend lassen wir dann mit einem feinen Essen und einem guten Glas Wein ausklingen.

Chris, der darauf bestanden hat uns zum Abendessen zu begleiten, verschwindet dann noch „schnell“, es ist noch eine Fähre gekommen. Vielleicht kann er noch ein paar Kunden kapern. Eine Stunde später kommt er mit zwei Finninnen zurück, Maija und Mari. Die beiden sind uns gleich sehr sympathisch und so haben wir noch einen lustigen Abend zu fünft.

 

Zurück in unserer Unterkunft erwartet uns die eine Überraschung. Ganz am Anfang unserer Reise, am ersten Tag, am 01.04.2010, haben wir in Donaueschingen am Abend zum ersten mal zwei französische Radfahrer gesehen, Silvain und Alexandre. Fast durch ganz Deutschland haben wir sie dann täglich wieder getroffen. Seither haben wir sie nie mehr gesehen. Ihr könnt euch vorstellen wie gross die Überraschung war, dass wir sie nun am letzten Tag unserer Donauradtour wieder sehen. Natürlich müssen wir noch etwas miteinander quatschen und so wird es 2 Uhr bis wir ins Bett kommen.

 

Tagesstrecke: 79 km (per Schiff)

 

11.06.2010

Sulina

Vögel und Fahrzeugpapiere

Für den heutigen Tag haben wir uns von Chris für eine Fahrt mit dem Boot ins Donau-Delta breitschlagen lassen. Maija und Mari sind auch mit dabei. Um 9 geht es los. Sein Bruder ist am Steuer, Chris im Bug.

 

Zuerst geht es zum alten, stählernen Leuchtturm. Abenteuerlich klettern wir über die alten verrosteten Streben auf den Turm, dafür haben wir von Oben einen schönen Ausblick über endlose Schwemmlandschaft und auf das etwas aufwärts liegende Sulina.

Weiter geht es durch schmale Fahrstrassen im dichten Schilfgürtel hinaus in eine Lagune. Die Donau ist keinesfalls blau, wie sie besungen wird. Nein, sie ist eher eine trübe grün-braune Brühe, in der man keine Armlänge sieht. Doch kaum im Schilfgürtel und in einem Bereich mit starkem Wasserpflanzenbewuchs ist das Wasser glasklar. Die Filterleistung der Pflanzen ist einfach unglaublich.

 

In der Lagune sind einige Duzend Pelikane am Fischen. Ohne Motor, nur mit den Rudern „schleichen“ wir uns an. „Ring, ring“! „Ring, ring“! geht unser Telefon los. Pelikane weg! Paddy’s Schwester am Telefon! (Das man hier draussen überhaupt eine Natelverbindung hat – unglaublich!)

Paddy’s Schwester und ihr Mann Christoph wollen heute losfahren, um uns unser Auto nach Bulgarien zu bringen. Doch leider können sie die Fahrzeugpapiere und die Vollmacht nicht mehr finden. Das ganze Auto und das ganze Haus haben sie schon auf den Kopf gestellt. Nichts!

Naja, machen können wir nun auch gerade nichts und so vertrösten wir die beiden auf den Nachmittag, wenn wir dann wieder zurück in der Stadt sind.

 

Leider beschäftigt uns der Telefonanruf die ganze Zeit. Irgendwie können wir die Landschaft und die Vögel rund um uns nicht mehr so recht geniessen. Schade.

 

Dennoch geht es weiter. Zum Teil mit Motor, zum Teil gerudert. Nahe der Mündung des Hauptkanals ins Scharze Meer, landen wir an einer Vogelinsel. Unzählige Seemöven, Pelikane und Kormorane brüten hier. Uns ist es nicht recht wohl dabei auf die Insel zu gehen. Bestimmt stören wir die Vögel. Doch Chris marschiert frisch fröhlich los und alle Vögel ergreifen die Flucht. Die erwachsenen Vögel gehen in die Luft und die Jungen ins Wasser. Wir weigern uns auszusteigen. Doch als auch alle anderen aussteigen und losmarschieren, gehen auch wir los. Das Geschirr ist schon zerschlagen, da kommt es auf uns zwei nicht mehr darauf an.

 

Die Vögel sehen wir vom Land aus genau so gut wie vom Schiff aus. Denn sie fliegen weg wenn wir kommen. Der Ausflug ist zwar nett, um sich die Beine zu bewegen, doch bezüglich „Birdwatching“ ziemlich „useless“. Maija und Mari nehmen noch ein Bad im „heissen“ Wasser (bestimmt gegen 30 Grad warm), dann besteigen wir wieder unser Boot.

 

Gleich neben der Brutinsel liegt ein Frachtschiff (fast) auf dem Trockenen. Es ist im Dezember letzten Jahres bei einem Sturm gestrandet. Der Kapitän und zwei Matrosen sind immer noch an Bord. Anscheinend ist die Versicherungsfrage noch nicht geklärt und so müssen die armen Kerle auf dem gestrandeten Schiff ausharren.

 

In einem grossen Bogen geht es ins Schwarze Meer hinaus und von da aus direkt in den Donau-Kanal, der kilometerweit mit Molen bis ins Meer hinaus verlängert wurde. Hier steht auch der aktuelle Leuchtturm. Photographieren verboten! Militärisches Sperrgebiet! Trotzdem noch schnell ein verstohlenes Photo und weiter geht es die Donau aufwärts. Es sind wohl fast 10 Kilometer von der eigentlichen Einmündung ins Meer bis zum Kilometer 0 in Sulina. Ein Grossteil dieser Strecke entstand in den vergangenen 100 Jahren durch das Geschiebe der Donau. Es ist unglaublich wie viel Material da in 100 Jahren angeschwemmt wird.

 

Zurück in Sulina, widmen wir uns der nächsten Aufgabe, die Paddy übernimmt: neue Fahrzeugpapiere für Renate und Christoph. Die Aufgabe ist eigentlich nicht so schwierig. Formular vom Strassenverkehrsamt vom Internet runterladen, ausfüllen und unterschrieben ans Strassenverkehrsamt faxen.

 

Schnell ist ein Computer bei Chris zu Hause gefunden. Doch dann fangen die Probleme an. Papier! Ups, kein Papier vorhanden. Nach langem Suchen findet sich dann ein Zeichenblock und ein Blatt Papier in Kartonstärke. Also schnell in den Drucker damit. Aber ups, Druckerpatrone ist leer. Grmpf@!

Chris: „Kein Problem, meine Freundin im Pub kann uns das Ausdrucken.“ In der darauffolgenden Stunde hat Paddy dann noch einige „Freunde“ von Chris kennengelernt. Ob sie aber auch alle Freunde von Chris sind ist zu bezweifeln.

4mal geht es die ganze Stadt hoch und runter. Chris immer voran auf einem Fahrrad, Paddy hinterher – zu Fuss. Doch letzten Endes gelingt es dann doch einen echten Freund zu finden bei dem das Formular ausgedruckt werden kann.

 

Nächstes Problem: Faxen. Auch hier meint Chris, dass er wisse wo man das machen kann. Eine weitere Stunde später verliert Paddy dann die Geduld und geht auf eigenen Faust los. In der Post kann man dann den Fax verschicken. Aber auch hier ist das nicht ganz so einfach. Die Posthalterin muss zuerst eine halbe Stunde mit dem Hauptbüro in Bukarest telefonieren, um die Freigabe des Faxgerätes zu erhalten. Doch dann ist es endlich soweit. Schon wollen wir bezahlen und losgehen, da meint die Posthalterin, dass das nicht gehe; erst müsse noch die Versandbestätigung aus Bukarest eintreffen. Ein Telefonanruf auf dem Strassenverkehrsamt kürzt dann aber dieses Problem ab, der Fax ist eingetroffen. Sorry liebe Posthalterin, vielen Dank für die Bemühungen, auch wenn du jetzt mit der Bestätigung brillieren könntest, Paddy muss jetzt endlich ein Bier haben!

Es ist heiss, die Temperatur kocht, sowohl auf der Strasse wie auch bei Paddy. Chris hat sich als keine grosse, bis als gar keine Hilfe bewiesen, im Gegenteil ohne ihn wäre es wohl schneller gegangen.

 

So ist dann die Stimmung für das abendliche Barbeque im Garten nicht gerade optimal. Irgendwie merkt Chris das zwar, aber ist dennoch resistent. Wir werden ihn nicht los.

Trotzdem, der Abend wird dann noch gemütlich und mit Mari und Maija machen wir ab, dass wir sie auf dem Weg ans Nordkap besuchen, wenn es zeitlich klappt.

 

11.06.2010

Sulina - Tulcea

 

Gemäss Fährgesellschaft fährt am Samstag kein Schiff. Am Freitag fährt eigentlich auch keines, doch auf der Fähre selbst hat man uns mitgeteilt, dass doch eines fährt, um 7 Uhr morgens. Chris hat zwar gemeint, dass alle 3 Stunden ein Schiff fährt und man irgendein Schiff nehmen könne. Alle würden Fahrräder mitnehmen. Leider können wir seinen Beteuerungen nicht mehr so recht glauben und wir entschliessen uns um 5 Uhr aufzustehen, um die Fähre um 7 Uhr zu nehmen.

 

So sind wir dann nach rund 3 Stunden Schifffahrt wieder in Tulcea. Hier möchten wir uns nochmals zwei Tage Ruhe gönnen, bevor wir dann Richtung Bulgarien fahren, um in Varna unser Auto von Paddy’s Schwester zu übernehmen.

 

Tagesstrecke: 79 (per Schiff)

 

12.06.2010

Tulcea

 

Nach einigem Suchen finden wir endlich Postkarten. Wie es scheint, ist es in Rumänien nicht üblich Postkarten zu verschicken, denn sie sind sehr schwer zu finden oder wir wissen nicht wo suchen?!?

Heute wollen wir uns endlich daran machen, uns bei all unseren Freunden für Ihre Hilfe, Unterstützung und Geschenke vor, während und nach unserer Abreise zu danken. Lange haben wir es hinausgeschoben. Sorry, wir sind wirklich keine Postkartenschreiber.

 

Per SMS erfahren wir, dass Rainer und Flo, die beiden Nürnberger Radfahrer, die wir in Rumänien immer wieder getroffen haben, heute Abend noch in Tulcea eintreffen. Wir freuen uns auf die Zwei und sie haben sicher einiges von ihren Erlebnissen zu berichten.

13.06.2010

Tulcea – Jurilovca

Von frühen Morgenstunden und schmerzenden Knien

Aufgrund der etwas erhöhten Temperaturen (37°C) und der ebenfalls erhöhten Luftfeuchtigkeit (keine Ahnung wie viel, bestimmt 200%), entscheiden wir uns, heute Morgen in aller Frühe loszufahren und die etwas kühleren Morgenstunden zu nutzen. Wie sich herausstellt, eine weise Entscheidung.

Wir stehen um 5.30 Uhr auf. Packen unseren Kram zusammen. Satteln die Räder und los geht’s. Die erste Stunde verschenken wir mit der Suche nach der richtigen Strasse aus Tulcea raus. Irgendwie schaffen wir es dann schlussendlich doch die richtige Strasse zu finden.

 

Frühstück hatten wir bis dahin noch keines. Brot finden wir zwar, aber nichts für drauf. Und mit Brot und Wasser wollen wir unseren Tag nicht beginnen. So fahren wir dann wieder über endlos scheinende Hügelketten in einen sehr heissen, schwülen Tag hinein. Um 10 Uhr haben wir dann bereits 45 km zurückgelegt. Ein grosses Jogurt und Konfitüre haben wir in der Zwischenzeit auch gefunden, doch noch keinen Platz zum Frühstücken.

 

Reichlich genervt und ziemlich kratzbürstig finden wir schlussendlich einen Platz unter einem Baum bei einer mittelalterlichen Burg.

Zu allem Übel schmerz Petras Knie fürchterlich. Sie kann kaum richtig gehen.

Nach einem kurzen Frühstück brechen wir wieder auf und erreichen dann um 12 Uhr nach 60km ein Hotel zum Übernachten. Als erstes machen wir ein ausgiebiges Siesta-Nickerchen, um den verpassten Schlaf vom Morgen nachzuholen.

 

Tagesstrecke: 62 km

 

14.06.2010

Jurilovca – Navodari

 

Und wieder geht es früh los. Um 06.15 Uhr sitzen wir in den Sätteln. Heute machen wir bestimmt nur noch 50 km. Alles ist geplant. Wir wissen genau wo wir hinwollen und haben uns auch schon Ausweich-Übernachtungsmöglichkeiten herausgesucht.

 

Doch erstens kommt es und zweitens anders als man denkt. Die Strecke ist zwar sehr flach und wir kommen so gut voran, dass wir unser Tagesziel schon um 10 Uhr erreicht haben. Doch wie üblich; wo eine Unterkunft und ein Campingplatz sein sollte… ist nichts mehr. Weiter zum Ausweichziel… nichts zu finden.

 

Es kommt wie es kommen muss. Aus den geplanten 50 km werden 90 km. Schlussendlich sind wir froh den Effort gemacht zu haben, denn nun sind wir nur 10 km nördlich von Constantia (gespr. Constanza). Zwar wollten wir erst einen Tag später hier sein, doch dafür gönnen wir uns morgen einen Faulenz-Tag. Auch Petras Knie wird froh sein, denn nach heutigen der Strecke ist es nun ziemlich lädiert und schmerz nur noch.

 

Wir platzieren uns auf einem Campingplatz, den uns zwei Deutsche empfohlen haben.

Der Camping ist direkt am Meer und wir freuen uns auf ein erfrischendes Bad. Erfrischend ist das Bad zwar, doch wird das Meer seinem Namen gerecht (Schwarzes Meer). Das Wasser ist nicht wirklich einladend, dennoch stürzen wir uns in die Fluten – der Camping hat ja eine gute Dusche.

 

Tagesstrecke: 90 km

 

16.06.2010

Navodari – Mangalia

 

Nach einem Tag Faulenzen sind wir bereits wieder um 7 Uhr auf der Piste. Ziel ist es möglichst nahe an die Bulgarische Grenze zu fahren bevor wir übernachten. Doch zuerst wollen wir die Gelegenheit nutzen und uns in Constanta eine Strassenkarte von Bulgarien organisieren.

 

Endlich haben wir Rückenwind. Die kurze Fahrt nach Constanta verläuft im Tiefflug. Auch hat der Arbeitsverkehr hat noch nicht eingesetzt und wir erreichen McDonalds als erste mögliche Kaffeeanlaufstelle innert einer Stunde. Hier werden wir dann auch an eine nahe Tankstelle verwiesen und finden dort prompt die gewünschte Karte für Bulgarien.

 

Weiter geht es im Brausetritt durch Constanta in Richtung Süden. Die Strasse ist 1a, auch haben wir weiterhin Rückenwind, doch leider hat der Berufsverkehr eingesetzt und es brausen im Centimeter-Abstand Autos und Lastwagen an uns vorbei. Fast wären wir schneller, doch leider nur fast ;-).

 

Zum Glück ist der Himmel heute etwas bewölkt und die Temperaturen dadurch etwas erträglicher. Dennoch durch die hohe Luftfeuchtigkeit schwitzen wir beide ohne Ende.

So geht es bis nach Mangalia. Hier finden wir seit über einem Monat (letztmals in Ilok in Kroatien) wieder einmal einen Campingplatz. Schnell ist das Zelt ausgepackt und eingerichtet. Am Schlafsack haftet noch der Geruch unserer Belgrader „Ferienwohnung“.

 

Mit einem anderen Radfahrer (was anderes als ein Franzose) kochen wir endlich wieder einmal Pasta zum Abendessen.

 

Heute geht es früh zu Bett, denn Morgen wollen wir wieder um 5 Uhr aufstehen und um 6 Uhr los.

 

Tagesstrecke: 58 km

 

17.06.2010

Mangalia - Todolo

Tag der Abrechnung

Mitten in der Nach wachen wir auf, als schwere Regentropfen auf unser Zelt fallen. Auch das noch; schiesst es uns durch den Kopf. Der Boden ist völlig ausgetrocknet und aufgebrochen. Da sammelt sich schnell das Wasser an der Oberfläche und wir sitzen dann im Schlamm. Mitten in der Nacht raufen wir noch schnell unsere Badetücher zusammen, die zum Trocknen aussen am Zelt hängen. Und schon geht ein heftiger Gewittersturm los – hoffentlich ist das bis zum Morgen durch und dass Wasser alles schon weg. Schön wär’s!

 

Jedenfalls drehen wir uns um 5 Uhr nochmals auf die andere Seite und hoffen, dass das Zelt eine Stunde später trocken sein wird. – Leider nicht. Kaum aufgestanden und angefangen zusammen zupacken, fängt es wieder an zu Regnen. Der Regen hat den ausgetrockneten Boden völlig aufgeweicht. So schlittern wir mit unseren vollbepackten Taschen zum trockenen Unterstand bei den Toiletten. Alles ist dick mit Schlamm verschmiert; Schuhe, Zelt, Zeltunterlage, Taschen, Velos, alles! Wieso!? Wieso muss das heute noch sein, an einem unserer letzten Tage im Zelt? Was haben wir Falsches gemacht?

 

Irgendwann, Stunden später, haben wir alles sauber; zwar nicht trocken, jedoch sauber – glaubten wir. Aber wie soll es anders sein. Kaum hatten wir alles verstaut, hört es auch schon wieder auf zu Regnen. Was soll’s wir hatten alles regensicher verstaut und unser Regenzeug angezogen. Los geht’s!

 

Gleich um die Ecke beim Camping, suchte Paddy sich einen langen Stock am Strassenrand. Wie wir am Vorabend und am Morgen beobachtet hatten, macht sich eine Hundebande einen Spass daraus, vorbeifahrenden Radfahrern hinterher zu hetzten. Dieses Mal wollen wir gewappnet sein. Bisher haben wir immer die Flucht ergriffen oder uns mit einer Vollbremse und einen lauten „Zurück-Gebell“ verteidigt. Doch dieses Mal geht’s aufs Ganze! Sollten die Hunde nicht Ruhe geben, setzt’s was. So kommt es wie es kommen muss. Die Hunde stürzen sich zu acht auf uns. Immer nach unseren Fersen schnappend. Da setzt Paddy zum Angriff an. Zack, zack, setzt es was mit dem langen Stock. Verdutz bleiben die Hunde stehen, das haben sie wohl noch nie erlebt. Lediglich einer der grösseren Hunde setzt uns weiter nach, doch er hält gebührenden Abstand.

 

Weiter geht’s in Richtung bulgarische Grenze. Kurz vor der Grenze entschliessen wir uns, noch einige von unseren Rumänischen Lei loszuwerden und suchen uns einen Kaffee.

Auch hier haben sich ein paar Hunde in den Kopf gesetzt, uns doch wenigstens solange zu begleiten, wie wir auf den Velos sitzen. Das war ein Fehler. Denn auch hier haben sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht und Paddy versetzt einem der Hunde einen Tritt voll an die Schnauze. Das ist dann auch zu viel für sie. Endlich haben wir uns bei den Hunden durchgesetzt!

 

Zähnefletschend und geifernd haben sie uns durch ganz Rumänien verfolgt. Wir sind wirklich hundeliebend, doch wenn sich Hunde einen Spass daraus machen, den Radfahrern, und wirklich nur den Radfahrern, auf den Strassen nach zu hetzen und sie zu knellen, dann hört der Spass für uns auf. Dann ist Ende lustig. Da gehört ein Exempel statuiert.

 

Zum Glück haben all die streunenden, rumänischen Hunde keinen Pass. So werden sie beim bulgarischen Zoll auch nicht durchgelassen und genau mit der Demarkationslinie zwischen Rumänien und Bulgarien (kein Witz) hört das Hundegebell auf*.

 

(*Anmerkung vom 25.07.2010: Da hatten wir uns zu früh gerfreut. Zwar gab es seit diesem Zeitpunkt nicht mehr so viele streunende Hunde, aber das nächtliche Hundegebell hat uns weiter bis nach Polen begleitet.)