Bulgarien

Reiseroute

Reise Bulgarien in Kürze

Fortsetzung von Reisebericht Rumänien

 

17.06.2010

 

Weiter geht es, gegen Wind, in Richtung Varna. Möglichst weit möchten wir heute kommen, so dass Christoph, Renate und David nicht allzu weit in Richtung Norden fahren müssen, um uns unser Auto zu bringen. Bereits am Sonntag haben sie einen Flug zurück in die Schweiz. Da wollen wir nicht noch eine lange Fahrt bis zum Flughafen in Varna machen müssen.

 

Nach einigem Suchen finden wir ein Camping direkt am Meer. Eine lange, steile Abfahrt verhindert, dass wir weiterfahren. Obschon dieser Camping an einem schönen, einsamen Strand liegt, sind die sanitären Einrichtungen nicht wirklich betörend (was einer Untertreibung nahe kommt). Was soll’s, es ist nur für eine Nacht. Morgen fahren wir weiter in Richtung Varna. Zwar werden der Strand und das Meer bestimmt nicht mehr so sauber und einsam sein wie hier, doch dafür haben wir dann (hoffentlich) saubere Toiletten.

 

Tagesstrecke: 74 km

 

18.06.2010

Todolo - Zlatni pjasaci

Der letzte Tag auf der Velo-Tour

Interessant wie man Tatsachen verdrängen kann. Noch beim Aufstehen und Zusammenpacken sind wir quietsch-vergnügt. Doch gleich beim Verlassen des Camping-Platzes ändert sich das. Als wir die steile Strasse sehen, die vor uns liegt, schauen wir uns mit langen Gesichtern an: Muss das sein?!

Was soll’s, los geht’s! Wieder einmal sind wir erstaunt, welche Kraft wir mittlerweilen in den Beinen haben. rauf und runter geht es, immer in Richtung Varna.

 

Auf unserer Karte sind jede Menge Campingplätze eingezeichnet, leider existieren diese nur auf der Karte. Im richtigen Leben gibt es die nicht oder nicht mehr. Erst 20km vor Varna werden wir dann fündig.

 

Schnell stellen wir das Zelt auf, ziehen die Badehose an und machen der Sprung ins Meer. Womit wir nicht gerechnet haben ist, dass der Strand beim Camping-Platz ein FKK-Strand ist. So rennt die Hälfte der Badenden nackt herum. Auffällig ist, dass auf der einen Hälfte des Strandes nur Männer sind… Wen kümmert es, es soll jeder nach seiner Facon glücklich werden. Wir jedenfalls hatten Freude, dass wir ein schönes Meer zum Baden hatten und hofften, dass Nati, Christoph und David auch noch kommen würden.

 

Etwas später erhalten wir ein SMS, dass die Drei umdrehen müssen. Sie haben den Fotoapparat im Hotel liegen lassen. Etwas später kommt ein SMS, dass die Drei am türkischen Zoll festsitzen. Und Abends spät ein weiteres SMS, dass sie jetzt zwar in Bulgarien sind, aber die letzten 140km von Burgas bis Varna erst morgen fahren werden.

 

Schade, jetzt werden wir nur noch einen Abend zusammen haben. Wir hatten uns so darauf gefreut etwas Zeit mit ihnen verbringen zu können.

 

Tagesstrecke: 28 km

 

19.06.2010

Zlatni pjasaci

 

Wie es sich herausstellt, werden Nati, Christoph und David nicht mit uns campieren. Ihr Flugzeug fliegt um 05.30 Uhr. Sie werden sich ein Hotel in der Stadt nehmen und mit dem Taxi zum Flughafen fahren.

 

Was soll’s, man soll die Zeit nutzen, die man hat und nicht derjenigen nachtrauern, die nie sein wird. So schmeissen wir uns mit den dreien an den Strand und geniessen die Abendsonne, bevor wir sie in die Stadt ins Hotel fahren.

 

20.06.2010

Zlatni pjasaci

Ab jetzt mit dem Auto

Zwiespältig sind unsere Gefühle. Wir haben uns sehr auf unser Auto gefreut. Dennoch hat das ganze einen schalen Beigeschmack. Irgendwie haben wir das Gefühl, dass wir bescheissen, wenn wir jetzt mit dem Auto weiterfahren.

 

Heute Sonntag ist der Ein- und Umräumtag. Es gilt all unsere Fahrradtaschen auszuräumen und den Inhalt im Auto zu verstauen. Auch im Auto gibt es einiges umzuräumen. Kleider aus der Dachkiste kommen runter, andere Kleider gehen hoch usw. Es ist der reine Wahnsinn, wie viele Sachen wir in diesem Auto haben. Ganz anders als unsere oft improvisierte und einfache Ausrüstung auf dem Velo.

Dann steht auch noch das Auffüllen der Wassertanks im Auto an. Gross ist der Schreck, als beim Hineinpumpen durch die Filter, das Wasser beim Grobfilter überall rausdrückt. Oh nein, nicht auch noch das! Zum Glück gibt es aber Teflonband und so ist das Problem bald behoben.

Völlig müde entschliessen wir uns am Abend nicht mehr selber zu kochen, sondern einmal mehr das Camping-Restaurant zu beehren – ein Fehler wie sich am nächsten Tag herausstellen wird!

 

P.S. Das müssen wir euch auch noch kurz schreiben: Nati, Christoph und David haben ja bekanntlich den Flug um 05.30 Uhr genommen. Ankunft in der Schweiz wäre 09.00 Uhr. Doch in Budapest stellt sich heraus, dass der Anschlussflug gestrichen wurde und der Ersatzflug abends um 18.30 Uhr fliegt!

Kaum in Zürich gelandet, fehlt dann auch noch das Gepäck – es kurvt noch im Balkan rum. Und zuhause müssen die Drei auch noch alle Kleider anziehen, es ist kalt und die Heizung ist defekt!

 

21.06.2010

Zlatni pjasaci

Murphy schlägt zu

Es fängt am Morgen an, als Paddy klagt, dass es im unwohl sei. Bald darauf sitz er nur noch auf der Toilette. Wie es scheint, hat er sich am Vorabend eine Lebensmittelvergiftung eingehandelt. Den ganzen Tag schleicht er rum wie eine tote Fliege und am Abend kommt dann noch Schüttelfrost und Fieber dazu.

 

Es sind diese Tage, an denen Reisen nichts Schönes ist. An diesen Tagen stresst es. Man möchte nur eine ruhige Ecke, in die man sich verkriechen kann. Zum Glück sind wir zu zweit und so kann Petra einspringen und Krankenschwester spielen – sie macht das übrigens sehr gut!

 

Zu allem Übel läuft wieder Wasser unter dem Innenausbau hervor. Bei genauem hinschauen stellt sich heraus, dass die Briden am Bezugsfilter nicht dicht schliessen. Um das zu beheben, muss der Kühlschrank raus – heute bestimmt nicht mehr!

 

Etwas später kribbelt es Paddy beim Einsteigen ins Auto. Auch hier zeigt sich, dass irgendwo beim Kühlschrank ein Problem ist. Er ist am 220V Strom angeschlossen und wie es scheint, schlägt es auf’s Gehäuse durch – auch das noch!

 

Als Petra dann noch das Mobiltelefon am Zigarettenanzünder einsteckt fängt das Ladegerät an zu schmoren und es steigt Rauch auf – das gibt’s doch nicht!

 

Ein Unglück kommt selten alleine. Murphy’s Law. Mal schauen was der morgige Tag bringt.

 

22.06.2010

Zlatni pjasaci

 

Another day in paradise. Paddy geht es einigermassen besser. Fit ist er zwar noch nicht, doch hängt er nicht mehr wie eine tote Fliege rum – nur noch wie eine Halbtote. Gleichzeitig raffen wir uns auf, unsere ganzen Probleme zu beheben. Der Kühlschrank ist schnell mal raus und der Zugang zum undichten Bezugsfilter freigelegt. Eine neue Schlauchbride ist auch gefunden und so ist Problem Nr. 1 gelöst – Lehre aus diesem Problem: Wenn man etwas umbaut, sollte man es anschliessend testen bevor man auf lange Reise geht.

Problem Nr. 2: Der Kühlschrank schlägt durch. Wir sind einigermassen konsterniert, als wir das Gehäuse des Kühlschranks ausmessen und bestätigt finden, dass der Kühlschrank wirklich durchschlägt. Bereits sind wir daran das Gehäuse abzuschrauben, als uns in den Sinn kommt, dass wir bequemlichkeitshalber auf das 220V Verlängerungskabel des Campingplatzes zurückgegriffen haben. Schnell holen wir unser Kabel raus und sind sehr erleichtert, dass der Kühlschrank mit unserem Kabel keine Spannung mehr auf dem Gehäuse hat – Lehre aus diesem Problem: Verlass dich auf die eigene Technik (auch wenn sie vielleicht nicht getestet ist).

Problem Nr. 3 scheint heute keines mehr zu sein. Der 12V Stromanschluss hinten im Auto funktioniert einwandfrei. Höchstwahrscheinlich hat der 220V Strom der vom Kühlschrankgehäuse auf das Gestell durchschlug das Ladegerät verbrannt. Ein riesen Glück, dass es sonst keine Elektrik im Auto verbrannt oder einen Kabelbrand verursacht hat – Lehre aus diesem Problem: Glück gehabt.

 

Auch wenn Paddy noch nicht auf dem Damm ist, so mag er doch schon eine halbe Tasse Bouillon essen und meckert auch schon wieder überall rum – vielleicht wäre es besser er wäre noch ein bisschen krank…

 

23.06.2010

Zlatni pjasaci

 

Heute ist ausruhen angesagt. Irgendwie haben die beiden Tage in den Paddy krank war beiden zugesetzt.

 

Wir nutzen die Zeit, um unsere Weiterreise zu planen. Doch irgendwie ist die Luft draussen. Die Lust auf Südosteuropa will sich nicht einstellen. Zuerst diskutieren wir hin und her und her und hin, ob wir durch Rumänien oder durch Bulgarien und Serbien reisen sollen. Rumänien lockt uns irgendwie nicht mehr, Bulgarien ab auch nicht.

 

Wir entschliessen uns Bulgarien eine Chance zu geben. Wenigstens eine Woche wollen wir investieren. Da wir keinen Reiseführer haben, schreiben wir uns interessante Orte aus dem Internet raus.

 

24.06.2010

Zlatni pjasaci – Aheloj

 

So endlich geht’s weiter. Unser erstes Ziel ist Nessebar, eine alte Stadt auf einer Halbinsel im Süden von Varna, kurz vor Burgas. Die Stadt ist UNESCO Weltkulturerbe und wir freuen uns schon auf schöne alte Häuser und gewaltige Ruinen. Doch bald merken wir, dass Ausschlafen seinen Preis hat, und wir Nessebar wohl kaum am ersten Tag erreichen. So suchen wir einen Campingplatz und übernachten erst einmal – denn wir sind müde.

 

Thema Campingplatz ist akut in Bulgarien. Auf unseren Strassenkarten (wir haben zwei) ist eine Unmenge an Campingplätzen eingezeichnet. Doch von 10 gibt es bestimmt 8 überhaupt nicht. So ist es wirklich schwierig seine Tagesetappen zu planen.

Die Campingplätze, die wir schlussendlich finden, sind dafür umso spezieller. Oftmals sind sie Bungalow-Siedlungen aus kommunistischen Zeiten. Rasen wird dafür eher mit Acker oder Kuhweide verwechselt, doch zum Glück zelten wir nicht mehr am Boden sondern können uns in unser bequemes Auto zurückziehen.

 

So ist auch der heutige Camping sehr speziell. Er liegt direkt am Meer. Da man für das Gartenrestaurant eine asphaltierte Fläche gebraucht hat, verlegte man die Zufahrt kurzerhand um die Empfangsgebäude herum durch den Rasen/Acker. Am Meer entlang reihen sich futuristisch anmutende kuppelförmige Bungalows in verschiedenen altersschwachen Pastellfarben. Der Strand war wohl einst mit einer Betonmauer gegen nachrutschendes Erdreich geschützt, in der Zwischenzeit hat sich das Meer den Strand erobert und auch schon einen Teil des Erdreichs hinter den schützenden Betonmauern. Irgendeinmal werden die Bungalows wohl ins Meer stürzen.

Wir werden weitergewunken und auf einem Feld zusammen mit 15 (deutschen) Wohnmobilen abgestellt.

 

Am Abend unternehmen wir noch einen kleinen Erkundungsausflug. Gleich anschliessend an den Campingplatzfinden wir nochmals eine kommunistische Traum-Feriensiedlung. Alles einzelne kleine Bungalows, wiederum in Pastellfarben gestrichen, zwischen imposanten riesigen Birken. Eine wirklich schöne Anlage und bestimmt der Ferientraum eines jeden Genossen aus einem Arbeiter- und Bauernstaat.

 

Bulgarien zeigt viel stärker als Rumänien noch Spuren der kommunistischen Vergangenheit. In vielen Ortschaften stossen wir auf pompöse Monumente in stalinistischem Styl, Figuren mit kantigen super-muskulösen Körpern: Arbeiter, Krieger, Soldaten, Handwerker.

 

Tagesstrecke: 141 km

25.06.2010

Aheloj – Zeravna

 

So auf und nach Nesebar. Heute sehen wir uns etwas Schönes an. Im dichten „Verkehrsgestöber“ nähern wir uns der Halbinsel auf der Nesebar liegt und suchen uns einen Parkplatz.

 

Zu Fuss nähern wir uns der Stadt über die schmale Landzunge. Je näher wir kommen desto mehr werden wir vom Touri-Kitsch erschlagen. Wie betäubt torkeln wir durch die schmalen Gassen der Stadt. Von dem schönen Stadtbild und den alten Häusern ist nicht viel zu sehen. Zu sehr sind Häuser mit endlos aneinander gereihten Souvenir-Shops und Leuchtreklamen der Restaurants zugepflastert. Nach kaum einer Stunde sind wir wieder im Auto. Fazit: Enttäuschend.

 

Jetzt merken wir auch, dass wir unseren Tag überhaupt nicht geplant haben und sitzen ratlos da, wo es denn nun weiter hin soll. Wir entscheiden uns für einen der nächsten der von uns markierten Punkte und fahren los.

 

Wie wir merken ist auch Autofahren sehr anstrengend, zumal der Verkehr recht dicht und hektisch ist. Überall überholen Autofahrer. Wie es scheint ist es egal, ob gleich vor einer unübersichtlichen Kurve oder wenn grad ein Auto entgegenkommt. Es wird einfach beschleunigt und überholt.

 

Unsere Wahl führt uns in die Berge im Zentralen Bulgarien. Ziel ist Kotel. Kurz vor Kotel haben wir noch ein anderes Dorf markiert, welches auf der Karte als pitoresque markiert ist: Zarevna. Wie es sich herausstellt, ist es ein gute Entscheidung hier hochzufahren.

 

Aus der Ferne will sich uns die Einmaligkeit des Dorfes nicht so recht erschliessen. Wir sehen eine Unmenge von Ziegeldächern gleichmässig verteilt zwischen hohen Bäumen an einer sanft ansteigenden Bergflanke. Als wir näher kommen sehen wir, dass sämtliche Häuser aus Holz erbaut sind. Das Holz ist von Sonne und Wetter schon fast schwarz. Alle Häuser haben weit ausladende Dächer mit einer schön verkleideten Unterseite. Auch haben viele Der Häuser ein zweites Geschoss über dem Erdgeschoss. Dieses ist dann meist etwas überstehend gebaut. Dies verleiht den Eindruck, dass das zweite Geschoss auf dem Erdgeschoss balanciert. Die Strassen sind alle mit groben Pflastersteinen belegt.

 

Zwar hat man auch hier schon entdeckt, dass es Touristen gibt, doch die Souvenirshops beschränken sich auf 2-3 im ganzen Dorf.

 

Wir wandern durch das Dorf zur Kirche. Eine schöne orthodoxe Kirche mit reichen Ikonen-Malereien im Innern. Auf dem Weg zurück sticht uns ein Schild vor einem Guesthouse ins Auge: „Fresh homemade Baklava with Turkish coffee.“ Man spricht Englisch?! Und Baklava mit einem Türkischen Kaffee! Das ist doch was. Schnell setzen wir uns hin und bestellen. Kurz schauen wir uns an: Hier wollen wir heute nicht mehr weg. Die Entscheidung ist schnell getroffen als wir auch noch die Zimmer sehen; gemütlich eingerichtete Zimmer mit einem Badezimmer wie aus dem Designer-Katalog. Der Besitzer, ein Geschäftsmann aus Sofia, ist auch anwesend. Er und seine Frau sprechen fliessend Deutsch. Schnell sind wir uns handelseinig und unser Auto ist durch die schmalen Gassen zum Guesthouse manövriert.

 

Heute lassen wir es uns gut gehen. Mit feiner Bulgarischer Küche, feinem Bulgarischem Wein und einem gemütlichen Zimmer.

 

Leider finden wir in der Nacht aber keinen Schlaf. Der Wind schlägt die Fenster auf und zu und anschliessend hält uns Wein und Kaffee wach.

 

Solltet ihr jemals nach Bulgarien reisen, verpasst es nicht dieses Dorf zu besuchen. Es ist wirklich wie aus dem Bilderbuch und heute (2010) noch sehr unverdorben.

 

Tagesstrecke: 139 km

26.06.2010

Zeravna – Drjanovo

 

Was sollen wir denn heute anschauen? Die Lotterie geht weiter.

Was ist nur mit uns los. Wir sind völlig unmotiviert, orientierungs- und antriebslos. Ständig sind wir müde. Wahrscheinlich holt uns einerseits die Anstrengung des letzten Teils unserer Radtour ein, dazu kommt die neue Fortbewegungsart, an die wir uns erst noch gewöhnen müssen und last but not least, dass wir uns überhaupt keine Gedanken zu diesem Abschnitt unserer Reise gemacht haben.

Entsprechend planlos machen wir uns heute wieder auf den Weg zum nächsten Punkt auf der Karte den wir markiert haben. Die Fahrt durch die endlosen, dichten Wälder ist sehr schön und einsam. Aber es ist halt anders als beim Velofahren eine Fahrt im „Aquarium“. Es ist ähnlich wie Fernsehen: Rundherum Scheiben, dahinter die Landschaft. Einzig das Rütteln und das Röhren des Motors unterscheiden den Standort des Sessels vom Wohnzimmer.

 

Kurz nach dem Mittag ist die Luft draussen. Zum Glück sehen wir am Strassenrand die Hinweistafel für einen Campingplatz und so beenden wir den heutigen Tag ohne weitere Highlights dafür am frühen Nachmittag mit einem ausgiebigen Siesta-Schlaf, um die verpassten Stunden der letzten Nacht nachzuholen.

 

Tagesstrecke: 141 km

 

30.06.2010

Drjanovo – Pomporovo – Melnik – Rila/Riski – Sophia

 

Neuer Tag, neuer Mut, neue Motivation – so jedenfalls sieht die Planung aus. Als erstes wollen wir uns trakische Königsgräber ansehen. Los geht’s in Richtung Kazanlak.

 

Zufällig finden wir eines der schöneren Gräber ausserhalb von Kazanlak. Ein eindrückliches Hügelgrab, welches man seitlich trapezförmig geöffnet hat. Ein mächtiger Eingang mit gläsernen Türen führt nun in das Innere des Grabhügels, in dem sich drei enttäuschend kleine Grabkammern befinden. Jede Kammer ist kaum 2-3 Quadratmeter gross. Dennoch ist es eindrücklich dieses zweieinhalb Jahrtausende alte Bauwerk mit seinen mächtigen Quadern zu sehen.

 

In Kazanlak suchen wir uns dann nochmals halb tot bis wir schlussendlich das dortige Traker-Grab finden. Leider ist dieses Grab nicht im Original zu besichtigen, da es voll mit wertvollen Wandmalereien ist. Den Besuchern hat man eine 1:1 Replika gebaut, die wir dann besichtigt haben.

Auf der Strassenkarte haben wir uns einige Campingplätze markiert. Mehrere deshalb, weil wir aus Erfahrung wussten, dass bestimmt 80% nicht mehr exisitieren. So geht dann die Suche los. Plevdiv, eine Stadt, die sehr schön sein muss, durchfahren wir einfach, da wir um 3 Uhr nachmittags schon etwas nervös sind bezüglich unserer Übernachtung. Bereits haben wir 4 vermeintliche Standorte von Campingplätzen angefahren. Alle bis auf einen sind nicht existent und auf dem einen, den wir finden, werden wir nicht eingelassen, man erklärt uns simpel und einfach, dass der Camping nicht offen ist – wahrscheinlich will man die Gäste lieber im dazugehörigen Motel haben.

 

Die Fahrt geht weiter in Richtung Süden, in die Berge hinein. Auch hier blieben unsere Versuche einen Camping zu finden erfolglos. Wir haben uns schon damit abgefunden nun endlich einmal wild zu campieren und uns nicht dem fragwürdigen Luxus eines bulgarischen Campingplatzes auszusetzten. Leider verläuft die Strasse jedoch in einem sehr engen, schmalen Tal. Alle möglichen Flächen sind mit Weilern, Dörfern und kleinen Städten zubetoniert. Schon fast 150km sind wir auf der engen sich ständig windenden Strasse unterwegs. Die Landschaft ist wunderschön. Dennoch sind wir irgendwie gestresst, zu sehr sind wir darauf fokussiert eine Bleibe für die Nacht zu finden. Irgendwie scheinen wir halt doch Luxus-Traveler zu sein.

 

Der Tag endet in einem der grossen bulgarischen Skiresort. Stellt euch diesen Ort aber nicht wie in der Schweiz oder Österreich vor. Es existiert keine Stadt, kein Dorf oder ein Zentrum. Die Hotels sind grossflächig auf den unzähligen Bergkuppen verteilt, zwischen den Bäumen eingebettet. Jedes Hotel ist eine Mikro-Stadt für sich, mit Restaurant, Shop, Coiffeur, Bank, Wellness-Bereich und Swimmingpool. Auch wenn es aus ökologischem Gesichtspunkt ein purer Blödsinn ist, so sieht es dennoch sehr schön aus wie jedes Hotel wie ein kleines Schloss auf einem Berggipfel thront.

 

Der neue Tag führt uns durch endlose Wälder, über Hügel und durch Täler. Wir sind erstaunt über das Konzept der bulgarischen Strassenplaner. Von zu Hause sind wir uns gewohnt, dass man die Strassen in den Tälern, den Wasserläufen entlang baut. Hier sind jedoch alle Grenzen aufgehoben. Kreuz und quer über steile Berge, durch tiefste Schluchten mäandrieren sich die Strassen durch diese dicht bewaldete Region.

 

Am Ende des Tages besichtigen wir noch das Kloster Rischensky bei Melnik. Ein über 1000 Jahre altes Kloster. Es leben nur noch zwei orthodoxe Mönche hier. Sie gestatten uns ein Stück bergab vom Kloster auf einer Wiese zu campieren.

 

Den Tag beginnen wir mit etwas Bewegung. Melnik ist die kleinste Stadt Bulgariens, das heisst, es ist ein kleines Dorf, welches das Stadtrecht hat. Das ganze Dorf ist von steilen Sandklippen umgeben. Malerisch sind die Häuser des Dorfs zu Füssen der Klippen an die steilen Hänge geklebt. Wir entscheiden uns die alte Burg, die auf dem Bergrücken weit über dem Dorf thronte, zu besichtigen.

 

Der Weg hinauf ist zwar mehr schlecht als recht und die Burg und die dazugehörige Kirch kaum noch sichtbar an sehr imposanten Plätzen errichtet, doch entschädigt die unglaubliche Aussicht über die bizzarre Sandsteinlandschaft. Die Bergrücken und die Talsohlen sind dicht bewaldet. Die Strecke dazwischen sind aber steile, bis zu 300m hohe Sandsteinklippen, die hell aus dem dunklen Grün herausstechen.

Weiter führt uns die Fahrt knapp an der griechischen Grenze vorbei und zum Kloster Rila. Dem spirituellen Zentrum Bulgariens. Leider fängt es bereits auf der Fahrt dorthin an zu regnen. Als wir auf dem nahen Campingplatz ankommen, schüttet es wie aus Kübeln. Wir entscheiden uns die Besichtigung auf den nächsten Morgen zu verlegen und dafür das Auto „auszumisten“.

 

„Auto ausmisten“ heisst, all die überflüssigen Dinge, die wir im planerischen Optimismus noch in letzter Minute ins Auto gepackt haben, wieder auszupacken und alles zusammen in Kisten zu stopfen welche wir dann im Herbst zu Hause lassen wollen. Dann noch eine Liste all der Dinge zu machen, die wir nicht einfach in die Kisten stopfen können und die wir ebenfalls zu Hause lassen wollen.

 

Wir haben viel zu viele Dinge mit. Nach den Monaten auf dem Velo sind wir uns gewohnt mit wenig auszukommen. Dies wollen wir auch beibehalten. Lieber zu viel Platz haben im Auto, als dass überall Ware rumliegt, die ständig von einer Ecke in die andere gepackt wird. Kommt noch dazu, dass unser Auto viel zu schwer ist und wir Gewicht einsparen müssen.

 

Heute ist Mittwoch. Heute Abend wollen wir in Sophia sein. Die Besitzer-Familie des Guesthouses in Zeravna hat uns zu sich eingeladen. Zuerst steht aber noch das Kloster Rila auf dem Programm.

Durch einen grosses Tor betritt man den Klosterhof. Der Klosterhof ist auf allen vier Seiten von 4 geschossigen Gebäuden umgeben. Jede Etage ist mit einem, zum Hof hin offenen Bogengang umschlossen. In der Mitte des Klosterhofes steht etwas schräg die flache Kirche des Klosters. Die Kirche ist auf der zwei Seite von reichbemalten Bogengängen umgeben. Daneben steht der Glockenturm. In der Eigenart der orthodoxen Kirchen sind die Glocken jedoch nicht oben, sondern unten im ersten Geschoss des Turms untergebracht. Die Glocken werden auch nicht wie bei uns im wilden Miteinander geläutet, sondern einzeln in einer schwer nachvollziehbaren Reihenfolge und Rhythmus über einen Seilzug von Hand geschlagen.

 

Als erstes besichtigten wir die Kirche. Unglaublich prächtig ist bereits der reich bemalte Bogengang um die Kirche herum. Alles ist mit Ikonen bemalt, Wände, Decken, Säulen. Das Innere der Kirche selbst überwältigt uns noch mehr. Reich verzieht mit vielen vergoldeten Schnitzereien. Überall stehen mächtige zweieinhalb Meter hohe Kerzenständer. Die Kirche ist recht dunkel, doch ist der Eindruck dadurch nur noch umso erhabener. Nur einige wenige kleine Fenster in den turmähnlichen Aufbauten lassen die Sonne in schmalen Lichtsäulen in den Kirchenraum. Langsam gehen wir den Wänden entlang, bemüht die Ikonen im Halbdunkeln zu erkennen.

 

Über den grossen, kopfsteinbesetzten Klosterhofe wandern wir noch einige Zeit umher und geniessen die Eindrücklichkeit der Gebäude vor der Kulisse der bewaldeten Berggipfel im Hintergrund.

Eine ermüdende Fahrt führt uns anschliessend in das dichte Verkehrschaos von Sofia. Eine Überraschung erwartet uns dann noch als wir bei unseren Gastgebern vor dem Haus stehen. Die Einfahrt in den Garten ist mit einem Tor versehen. Dieses Tor ist zu niedrig für unser Auto. Was tun? Nach einigem Werweisen, denken wir, dass das Tor hoch genug ist, wenn wir den Reifen und die Kiste vom Dach schrauben und die Velos vom Trager runter nehmen. Gesagt getan, doch leider reicht es immer noch nicht. Der Veloträger ist um 4cm zu hoch. So steigen Paddy und ein Freund der Familie hinten auf den Veloträger, schieben von Hand das Tor noch um einen Zentimeter hoch und flutsch geht’s rein – mit kaum 5 Milimetern Abstand.

 

Wir sind froh, dass wir endlich da sind. Bald sind wir geduscht, gefüttert und zufrieden in unserem Bett.

 

06.07.2010

Sophia – Belgrad

 

Nach Sophia wollten wir unbedingt, um einige Dinge zu kaufen. Paddy‘s defekte Regenjacke ging mit seiner Schwester nach Hause und er braucht Ersatz. Weiter bekommen wir immer wieder Warnungen, dass die Räder vom Auto geklaut werden könnten. Deshalb wollen wir uns Felgenschlösser kaufen. Dazu kommt noch, dass wir die weiteren Länder auf unserer Reise nicht wie Bulgarien ohne rechte Strassenkarte und einen guten Reiseführer besuchen wollen. Also möchten wir Karten und englische oder deutsche Reiseführer kaufen.

 

Peppi, eigentlich Penka oder zu deutsch Petra, unsere Gastgeberin, nimmt sich extra für uns den ganzen Donnerstag frei und fährt uns kreuz und quer durch Sofia bis wir die gesuchten Sachen haben. Unterdessen organisiert uns Kalin, unser Gastgeber, noch Kopien unserer Autonummern, welche wir dann für unsere Reise in Übersee benötigen werden.

 

Am Abend haben wir fast unsere ganze Liste abgearbeitet. Es bleiben nur noch wenige Dinge drauf, die wir aber peu-à-peu in Fachgeschäften organisieren müssen. Wir sind so froh, dass die zwei uns so sehr geholfen haben.

 

Den Freitag nutzen wir um unser Auto zu reinigen, zu reparieren und einzubauen was wir neues gekauft haben. Endlich fühlen wir uns im Auto einigermassen organisiert.

 

Am Freitagabend muss Penka noch mit ihrer Freundin Emma zum Shopping. Am Wochenende heiratet ein Freund und alle sind schon ganz aus dem Häusschen. Alle müssen noch zum Friseur, zur Kosmetik oder Kleider kaufen. So verbringen wir den Freitagabend im Shoppingcenter. Petra, Penka und Emma beim Schuhe kaufen. Währenddessen unterstützt Paddy Angel, Emmas Mann, bei der Suche nach einem passenden Hemd für die Hochzeit.

 

Haben wir Sophia gesehen? Ja. Können wir was zu Sophia sagen? Ja, es hat einige schöne Shoppingcenter. Haben wir auch etwas Kultur oder Architektur in Sophia gesehen? Nee! Eigentlich wollten uns unsere Gastgeber eine kurze Sightseeing-Tour mit uns machen, doch irgendwie ging das zwischen Fussball-Weltmeisterschaft und Shopping unter.

So machen wir uns am Samstagmittag auf den Weg.

 

 

Fortsetzung siehe Reisebericht Serbien II