Finnland

Von esoterischen Kirchen

Schon um 6 Uhr morgens müssen wir in Tallinn im Hafen sein. Am Vorabend haben wir noch Vollgetankt, sowohl Diesel als auch Bier und Wein. Beides ist hier in Estland noch um einiges günstiger als in Finnland.

 

Die Überfahrt dauert knapp 3 Stunden und Helsinki empfängt uns mit Sonnenschein, breiten Strassen und warmen Temperaturen über 30 Grad.

 

Seit über 3 Monaten haben wir nun schon Temperaturen, die kaum einmal unter 30 Grad gesunken sind. Leider aber auch mit einer Luftfeuchtigkeit, die sehr hoch ist.

 

Als erstes kündigen wir unsere Landung bei Mari und Maija an. Dann organisieren wir uns einen Reiseführer für Finnland, damit wir uns etwas auf unser neues Reiseland vorbereiten können. Anschliessend fahren wir auf den nahegelegenen Campingplatz und schauen uns betreten an. Was?! 17 Euro pro Nacht! Und das ohne Strom. Puhh! Das ist heftig teuer. Beim zweiten Blick müssen wir dann zwar eingestehen, dass es zu Hause in der Schweiz bestimmt mindestens genauso teuer ist, doch nach all den Wochen in Osteuropa ist es ein heftiger Preis. Wir wussten ja, dass ab Finnland das Leben wieder teurer wird. Dennoch wenn’s dann ums Zahlen geht, tut’s weh.

 

Heute, am 1. August, treffen wir uns mit Mari und Maija. Wir freuen uns sehr, die beiden wieder zu sehen. Mit der Metro fahren wir ins Zentrum. Und treffen uns beim Dom. Direkt geht es zum Einkaufen, denn wir wollen nach Suomenlinna, einer vorgelagerten Insel von Helsinki, zum „Bröteln“ (grillieren). Mit dem kleinen Fährschiff geht es raus in die Bucht vor Helsinki. Gleich bei der Ankunft verweist ein grosses Schild, dass Feuermachen auf der Insel verboten ist. Doch wie es schein, sind Finnen verbotsresistent, denn Maija und Mari lassen sich nicht beeindrucken. Nach einem kurzen Marsch, machen wir es uns auf den Felsen bequem.

 

Leider erweist es sich, dass die beiden Einweg-Grill’s sehr obrigkeitshörig sind. Beide wollen nicht brennen. Gutes Zureden, zwei Schachteln Streichhölzer und alle dreckigen Finger helfen nichts – sie halten sich an das Feuerverbot und wollen einfach nicht brennen.

Das tut den Würsten jedoch keinen Abstrich und so werden sie halt kurzerhand kalt verspeist. Mit etwas Bier und Wein sind sie dann auch noch verdaulich.

 

Alle vier sind wir nicht mehr ganz trittfest als wir die letzte Fähre zurück nach Helsinki nehmen. Es ist weit nach 23 Uhr, jedoch hell ist es immer noch. Selbst als wir nach 24 Uhr auf dem Campingplatz ankommen, ist es noch hell genug, dass wir ohne Taschenlampe mit unserem Geklapper alle Leute wecken können.

 

Am 2. August hält Mari eine Überraschung für uns bereit. Mari ist Photographin und war in Uganda in einem Waisenhaus für AIDS-Waisen. Mit den Photos hat sie eine Ausstellung in der Bank of Finland. Wir haben schon vorher unser Interesse angemeldet, die Ausstellung besichtigen zu wollen. Leider ist die Bank of Finland jedoch nicht öffentlich zugänglich. Doch Mari hat es geschafft und wir bekommen eine Ausnahmegenehmigung mit Privatführung durch die Künstlerin.

Alle Menschen auf ihren Bildern lachen. Die Gesichter der Kinder und Betreuer auf den Photos sind beeindruckend. Vor allem wenn man bedenkt, dass all die Kinder Waisen sind. Wirklich schön! Wir gratulieren dir Mari, das sind sehr schöne, stimmungsvolle Bilder.

 

Ups, SMS! Ach das ist wieder David unser australisch-deutscher Freund. Er ist gerade eben in Helsinki angekommen. Am Abend geht seine Fähre weiter nach Rostock und er möchte mit uns noch einen Kaffee trinken. Klar treffen wir uns.

 

Zuerst führen uns Maija und Mari aber noch durch Helsinki. Die Stadt ist sehr luftig gebaut, breite Strassen, keine Hochhäuser. Am meisten haben uns der Art-Deco-Hauptbahnhof und die Untergrund-Kirche beeindruck. Vor allem die letztere ist speziell. Halb im Felsen versenkt mit einer grossen runden Kuppel. Das Innere besteht aus roh behauenem Felsen und einigen Beton-Stützelementen. Wirklich beeindruckend jedoch ist die Stimmung in der Kirche. Trotz der Gefahr ins esoterische abzugleiten; die Energie in diesem Gebäude ist unglaublich. Automatisch fällt alle Last ab, man spürt im Bauch, dass sich alle Verspannungen lösen. Jeder der hereinkommt, setzt sich hin. Die wenigsten photografieren. Alle ziehen die unglaubliche Atmosphäre in sich auf.

 

Etwas später treffen wir uns in einem netten Gartenkaffee mit David. Viel Zeit hat er nicht. Bald schon läuft sein Schiff aus. Mit unseren beiden finnischen Freundinnen, machen wir uns weiter auf die Socken, doch bei allen vieren ist der Dampf raus. Nach einem Abendessen verabschieden wir uns von den beiden. Es war schön sie wieder zu sehen. Hoffentlich treffen wir uns wieder einmal.

 

Paddy hilft Mari am nächsten Tag noch beim Umzug. Sie übernimmt die Wohnung ihres Freundes. Dann gilt es definitiv Abschied nehmen und wir ziehen weiter in Richtung Norden. Es bleiben uns noch 3 Wochen bis wir auf den Lofoten sein wollen, um unsere Freunde Moni und Roli aus der Schweiz zu treffen. Eine kurze Zeit für mehr als 4‘000km.

Viel Grün, viel Platz

Über Poorvo fahren wir in die bekannte Seenlandschaft Finnlands. Es heisst, Finnland sei „das Land der 1‘000 Seen“. Das stimmt nicht. Es sind so viele Seen, dass eher das Land die Ausnahme bildet. Somit wäre Finnland wohl eher als „Land der 1‘000 Inseln“ zu bezeichnen. Am Abend tauchen wir jedenfalls in den Wald auf einer dieser „Inseln“ ab und suchen uns einen Platz zum Übernachten. Auf unserer Suche fahren wir in viele kleine Seitenwege hinein, die fast alle zu kleinen Mökkis (Sommerhäusern) führen. Die allermeisten Mökkis liegen an einem kleinen oder grösseren See. Unglaublich wie viele Mökkis es gibt. Zum Glück findet sich schlussendlich doch noch ein Weg, der zu einem abgelegenen Platz ohne Häuschen führt.

 

Vielerorts ist der Wald von einem Sturm plattgewalzt worden. Bäume, die auf einem felsigen Untergrund gestanden haben, sind mitsamt ihren riesigen Wurzeltellern umgelegt worden. Besser verankerte Bäume hat es einfach abgeknickt. Überall liegen Bäume quer über den Strassen und die Stromleitungen hängen herunter. Es sieht schlimm aus. Wie wir später erfahren, ist der gleiche Sturm dafür verantwortlich, der uns in einer abgeschwächten Form bei Pärnu in Estland heimgesucht hat – derjenige der unser Auto unter Wasser gesetzt hat.

Finnische Nationalparks

Die Fahrt in den kommenden Tagen führt uns über Savonlinna mit seiner eindrücklichen Wasserburg zum Linnansaari Nationalpark. Ein Highlight unserer Reise. Die Aussicht über den See mit all den kleinen Inseln ist faszinierend. Mit einem Boot lassen wir uns auf die Hauptinsel bringen und unternehmen eine ausgedehnte Wanderung durch den dichten Wald. Wie hier in Finnland üblich, wird die Wanderung mit einem Bad im See abgeschlossen. Gerne wären wir noch ein paar Tage hier geblieben und hätten gerne eine mehrtägige Kanutour unternommen. Doch uns zerrinnt die Zeit unter den Fingern.

 

Einen ebenso beeindruckenden Nationalpark finden wir mit dem Kolovesi Nationalpark. Auch hier wäre es schön, wenn wir ein Boot oder Kanu hätten.

 

Etwas weiter im Koli Nationalpark überkommt uns dann das Heimweh nach den Bergen. Es sind zwar „nur“ bessere Hügel, die bis auf knapp 500 MüM führen. Doch ist es eine Wohltat, wieder einmal auf einer Anhöhe zu stehen und auf das Land hinunterschauen zu können. Leider bleibt es auch hier nur bei einer kurzen Wanderung, denn am Abend haben wir in Joensuu abgemacht, mit Mari. Nein nicht jene Mari die wir bereits in Helsinki getroffen haben. Mari in Joensuu ist eine ehemalige Arbeitskollegin von Paddy, welche mit ihrer Familie nach Finnland zurückgekehrt ist.

Alte Freunde und Sauna-Etikette

Das letzte Mal haben wir Mari und Franz vor über 10 Jahren gesehen. Und es war schwierig die beiden zu kontaktieren, denn E-Mail-Adresse und Telefonnummer stimmen nicht mehr. Erst Mari in Helsinki konnte uns helfen und uns die Telefonnummer von Mari und Franz in Joensuu besorgen.

 

Als die beiden vor 4 Jahren mit ihren beiden Söhnen Samuel und Simeon nach Finnland gekommen sind, hatte Mari als gebürtige Finnin nicht so viele Probleme wie ihr Mann Franz. Damals sprach er noch kein Finnisch und musste sich erst „einarbeiten“. Wir sind sehr beeindruck, wie sich die Familie eingelebt hat und was sich die beiden in den wenigen Jahren erarbeitet haben.

 

Paddy hat alle Hände voll zu tun den beiden Jungs Simeon und Samuel unser Auto vorzuführen. Bald darauf werden wir in die Sauna eingeladen. Es ist hier, wo wir über die finnischen Sauna-Gepflogenheiten instruiert werden.

  1. Sauna ist nicht Wellness, Sauna ist Waschen
  2. Männlein und Weiblein strickte getrennt oder Familienweise
  3. Ca. 5 Minuten pro Sauna Durchgang dann raus kalt duschen
  4. Zwischen den Saunagängen wird eingeseift, geschrubbt und gewaschen

Was dann ebenfalls zur Sauna gehört, ist das Bierchen danach. So sitzen wir nach der Sauna noch gemütlich bei einem Bier und wollen unsere Photos zeigen. Da wird es plötzlich ungemütlich! Wo sind die Photos, die Paddy vor 2 Tagen von der Kamera auf den PC kopiert hat? Oh Schreck, nichts mehr da!!!

 

Die fieberhafte Suche beginnt. Check Datensicherung, check Kamera, check Abfallkübel. Litauen, Lettland und Estland finden sich wieder im Abfallkübel. Doch die Photos von Finnland sind verloren. Paddy hat beim Kopieren auf die Datensicherung einen Fehler gemacht und die Photos gelöscht. So ein Mist!

 

Wir trösten uns damit, dass die Photos eh nur Krücken sind, die einem helfen die Bilder, die man im Herzen trägt wieder hervorzuholen. - Tönt zwar schön, aber es ist trotzdem sehr ärgerlich.

Leider ist unsere Zeit mit den Mary, Franz und ihren beiden Jungs nur beschränkt. Doch unser Mökki in Pyhä (sprich Pühä) wartet auf uns. Mari aus Helsinki hat uns das Sommerhaus ihrer Familie in Lappland zur Verfügung gestellt. Wir sind sehr froh über dieses grosszügige Angebot. Nicht zuletzt deshalb, weil dass wir schon lange keine Ferien mehr hatten(!).

Mit einem kurzen Rendevous mit dem stillen Volk und einer Wanderung im Oulanga Nationalpark landen wir in Pyhä ca. 80km nordöstlich von Rovaniemi. Hier sind wir bereits nördlich des Polarkreises, doch sind die Temperaturen immer noch sehr sommerlich.

 

Zwei Tage brauchen wir um unser Auto auszuräumen, zu putzen, zu reorganisieren und wieder einzuräumen. Nun hoffen wir, dass wir alles am richtigen Ort haben. Auch haben wir nun die detaillierten Pläne für unseren Umbau im Herbst. Die Rückbank kommt raus. Dafür schaffen wir uns Stauraum für unser „Puff“.

 

Erst heute am 3. Tag unseres Aufenthaltes gehen wir los und unternehmen eine schöne Wanderung im Pyhätunturi Nationalpark. Er liegt gleich vor der Haustüre. Auf einem perfekten Boardwalk geht es durch eine wild-romantische Schlucht rund um den Gipfel des Pyhätunturi. Zwar ist der Wanderweg eine regelrechte Autobahn, doch tut das der herrlichen Aussicht keinen Abbruch. Für alle, die nach Finnland kommen, eine Empfehlung.

 

Dann ist auch schon der letzte Tag unserer Ferien vorbei.

 

Tagesetappen: 52/332/202/133/8/100/9/23/328/164/55/207/119/411/330 km

16.08.2010

Pyhätunturi – Inari

 

Der Herbst lässt grüssen

Brrrrr…. heute ist es aber kalt. Nur gerade 4 Grad über Null zeigt das Thermometer vor dem Fenster an. Und das bei stahlblauem Himmel und Sonnenschein. Und das nach angenehmen Wandertemperaturen am Vortag. Es fällt uns schwer von unserem Mökki Abschied zu nehmen und die kalten Temperaturen machen es nicht einfacher.

Früh stehen wir auf um die Bettwäsche zu waschen, das Haus zu Putzen und unsere sieben Sachen ins Auto zu packen. Das Nordkap wartet auf uns.

Unser Weg führt uns 250km weiter nach Norden bis nach Inari. Inari gilt als eine der Hauptstädte der Saamen. Im sehr interessanten Siida-Museeum lernen wir, dass es insgesammt 6 Saamenvölker gibt, dass die Saamen eine Splittergruppe der Uigurisch-finnischen Völker sind und bereits vor über 8‘000 Jahren hier gelebt haben. Also unmittelbar nach der Eiszeit her gekommen sind.

Übrigens sind die Renntiere, die hier überall herumstreunen nicht etwa wilde Tiere, sondern gehören alle jemandem. Wem sie gehören erkennen die Saamen an einer Reihe von Einkerbungen, die den jungen Kälbern in die Ohren geschnitten werden. Es gibt über 10‘000 Variationen von Einkerbungen.

 

Und übrigens, einen Saamen soll man nie danach fragen, wie viele Rentiere er besitzt. Dies ist etwa genau so unanständig, wie wenn man bei uns jemanden nach seinem Lohn fragt.

 

Der Campingplatz liegt – wie nicht anders zu erwarten ist an einem See – giftig bläst der Wind aus Nordost. Beide haben wir nun lange Hosen an und den dicken Faserpelz Pullover. Auch den Bäumen sieht man es an, dass sie frieren. Langsam zeigen sich nun schon die ersten gelben Blätter. Der Herbst ist nun wirklich schon im Anzug. Komisch, dabei sind wir doch erst noch vor ein paar Wochen bei Schnee im Schwarzwald auf unsere Velos gesessen. Und nun soll’s schon wieder Winter werden!

 

Tagesetappe: 273 km

18.08.2010

Inari – Sevettijärvi – Mehamn (NO)

 

Es wird teuer…

Am Morgen danach; es gilt noch einmal alle Vorräte zu prüfen. Haben wir wirklich genug eingekauft damit wir im teuren Norwegen etwas weniger einkaufen müssen? Ach ja Paddy, Nutella ist bald leer. Da muss er wohl auf sein geliebtes Nutella-Brot verzichten.

 

Und los. Wir haben uns entschieden, der abgelegensten, nordöstlichen Ecke Norwegens einen Besuch abzustatten. Deshalb wählen wir eine wenig befahrene Strasse aus Finnland, die uns direkt nach Kirkenes in Norwegen führt.

Die Landschaft wird immer karger, die Bäume immer kleiner und die Moore immer grösser. Die Fahrt ist schön, jedoch kann auch die schönste Landschaft mit der Zeit etwas monoton werden. Bereits um 16.00 Uhr machen wir Schluss für heute. Die Temperaturen sind nicht mehr gestiegen und es bleibt wohl dabei, dass wir uns mit 5-10 Grad abfinden müssen.

Auf einem Stück Feldweg parkieren wir unser Auto zwischen den Bäumen und machen es uns so gemütlich wie möglich. Brrrrrr.

Zum Glück haben wir eine Standheizung. Diese kommt uns jetzt wirklich gelegen. So sitzen wir im Auto, essen unser Reis mit Rüebli und Sojasauce, krönen das Ganze mit einem warmen Tee und einem Guezli.

Da es nicht viel zu tun gibt, gehen wir mal etwas zeitiger ins Bett – um 23 Uhr. Was das ist nicht früh?! Sicher schon, wenn man bedenkt, wie unsere biologische Uhr bei einem Sonnenuntergang um 22 Uhr durcheinander gekommen ist.

 

Der neue Tag ist genau so kalt wie der alte. Trotzdem, eine Katzenwäsche muss mindestens drin liegen. Bitterkalt ist nicht nur die Luft, bitterkalt ist auch das Wasser. Schnell abtrocknen und in die Kleider schlüpfen. Zum Glück haben wir uns diesen Teil des Morgenrituals für nach dem Frühstück aufgespart, so können wir mit steifen Gliedern ins Auto sitzen und haben dann bereits nach einigen Kilometern die angenehm warme Luft der Autoheizung.

 

Die Landschaft verändert sich ständig. Es wird immer karger. Bald sind keine Birken mehr zu sehen, nur noch Kiefern, welche sich mit glatten Felsrücken abwechseln.

 

Kurz vor der Grenze finden wir noch eine Tankstelle. Schnell noch auftanken, denn obschon der Dieselpreis hier um 10 Cent über dem von Inari (300km südlich) liegt, ist er immer noch um 25 Cent billiger als in Norwegen.