Chile - Der "Süden"

Hetzjagd an den Start

Unser Hauptproblem besteht im Moment in unserem Weiterkommen. Wir wollen von Chaiten aus auf die Insel Chiloe hinüber. Doch leider haben wir die Rechnung ohne den Wirt resp. die Schulferien gemacht. Diese gehen nämlich zu Ende und alle Urlauber streben zurück in den Norden. Die Fähren sowohl nach Chiloe als auch nach Puerto Montt sind auf 2 Wochen hinaus ausgebucht. Wir wurden bereits gewarnt, doch wollten wir uns zeitlich nicht festlegen. Nun haben wir die Rechnung. Last-Minute Chancen sind leider auch schon mit einer Warteliste von mehreren Tagen ausgebucht und so bleibt uns nichts anderes übrig als einen kleinen Umweg über Argentinien zu machen. 2500km liegen vor uns, um die Südspitze Chiloes zu erreichen, welche von Chaiten in Luftlinie nur gerade 40km entfernt ist.

 

So machen wir uns auf die Socken. Wir räumen uns 2-3 Tage für die Strecke ein. Das ist sehr wenig, denn es ist ein ordentliches Stück auf der Carretera Austral und einer Nebenstrecke zu bewältigen. Zum Glück sind jedoch die Strassen in Argentinien sehr gut und garantieren uns ein zügiges Vorankommen.

Wir rumpeln ein Stück zurück, dann in ein Seitental, hoch nach Futalefu und weiter nach Argentinien. Unser Tagesziel heisst El Bolson. Wir waren bereits einmal dort und haben die nette Bekanntschaft mit einer älteren Schweiz-Argentinierin gemacht. Wir wollen die Gelegenheit nutzen und sie besuchen.

 

In El Bolson auf dem Campingplatz treffen wir wieder auf den netten Campingwart welcher dann versucht Vreni, unsere Bekannte, zu erreichen. Leider ist sie aber auf der Walz und kann erst morgen in der Früh kurz vorbeischauen.

 

Das gibt uns die Gelegenheit unseren Hinterreifen zu kontrollieren. Denn er scheint Luft zu verlieren. Das bei einem neuen Reifen bereits nach einigen 100 Kilometern. Mit demselben Reifentyp sind wir zuvor 40‘000 Kilometer gefahren, ohne jemals einen Plattfuss zu haben.

Wie sich herausstellt, hat der Reifen wirklich ein kleines Loch und wir sind froh, dass wir es gemerkt und vor unserer Weiterfahrt reparieren lassen konnten.

 

Auf dem Campingplatz treffen wir auf Alain und Nicole. Ein junggebliebenes, Französisches Rentnerpaar mit einem Landrover und einem überdimensionierten Camperaufbau. Sie sind schon seit einem Monat in El Bolson um Spanisch zu lernen.

Schnell sind wir mit ihnen im Gespräch und bald haben wir auch ein feines Abendessen zusammengetragen. Später folgt die Inspektion ihres Autos. Leider haben sie einige Probleme mit der Hinterachse, welche schief ist, wodurch die Reifen sehr schnell schräg ablaufen.

 

Bei der zweiten Flasche Wein finden wir heraus, dass wir uns eigentlich schon seit der Peninsula Valdez kennen(!?). Ja, sie waren gleichzeitig da, denn sie haben mit denselben Leuten gesprochen wie wir. Vage können wir uns an ihren Landrover erinnern. Interessant wird es, als wir auch noch herausfinden, dass sie an Weihnachten ebenfalls in Ushuaia auf dem gleichen Campingplatz wie wir waren und wohl auch mit uns am selben Tisch, zusammen mit allen anderen Franzosen Weihnachten gefeiert haben – langsam zweifeln wir an unserem Erinnerungsvermögen, doch zum Glück geht es Nicole und Alain nicht anders. Jedenfalls sitzen wir heute hier zusammen und wir werden uns bestimmt an sie erinnern.

 

Am Morgen warten wir auf Vreni. Umarmen sie, geben ihr einen Kuss und brechen auf. Wir wollen weiter zum Lago Llanquihue in Chile.

Bariloche bleibt dieses Mal links liegen. Ebenso Osorno und die unzähligen kleinen Städte. Spät am Nachmittag fahren wir in Chile von der Panamericana runter und suchen einen Übernachtungsplatz in Frutilla (Erdbeere) am Lago Llanquihue.

 

Das Städtchen ist vollkommen überlaufen mit Touristen und wir sind glücklich als wir im Gewirr der Einbahnstrassen endlich einen windigen Campingplatz finden, der Platz für uns hat. Die Aussicht ist gewaltig. Unter uns das Dorf, anschliessend daran der See und dahinter der Vulkan Osorno. Viele der Vulkane hier im Süden von Chile sind saubere Kegel mit der klassischen Rauchfahne an der Spitze.

 

Armin vom Patio Suizo in Santiago hat uns ans Herz gelegt die Cocina Llanquihue am Lago Llanquihue zu besuchen. Sie hätte die besten Fleischwaren in ganz Chile, meinte er. Klar legen wir unsere Route so, dass wir unseren Kühlschrank mit Aufschnitt und Fleisch füllen können, bevor wir über Puerto Montt auf die Insel Chiloe übersetzen.

 

Wir haben uns in den Kopf gesetzt, die Insel von Süden kommend zu erkunden. Schliesslich wären wir im Süden angekommen, hätte es mit der Fähre geklappt. Wir düsen direkt bis nach Quellon am Südzipfel. Es ist schon spät, regnet und ist kalt, deshalb entschliessen wir uns für ein Hotel. Das Hotel ist gleich am Wasser und wir können unser Auto in ein Bootshaus einschliessen – wir wurden gewarnt: Quellon ist ein Verbrecher-Nest. Hierher werden alle ungeliebten Kreaturen des Landes verfrachtet… aber seit Kurzem geben wir nichts mehr auf Gerüchte – dennoch, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste…

 

Auf der Suche nach der berühmten Innenstadt schlendern durch die Stadt. Doch wir finden die alten Häuser nicht. Könnte es daran liegt, dass „alt“ ein relativer Begriff ist oder dass uns die verwitterten Wellblech-Häuser nicht sonderlich beeindrucken?

 

Beeindruckt sind wir jedoch von der Schnitzkunst der vielen kleinen Handwerker. Es sind unglaublich filigrane Werke darunter, aber auch viele plumpe, grobe Werke, jedoch nicht minder schön. Es kommt uns die Idee für das neue Empfangs-Büro im Patio Suizo in Santiago ein Türschild im Stil der anderen Türschilder herstellen zu lassen. So suchen wir einen der kleinen Handwerker auf und bestellen eine Tafel. Wir haben zwar unsere Bedenken, dass er die Tafel nicht wie versprochen herstellt und nach Santiago schickt, doch wir hoffen...

Start zum 4.

Tags darauf beginnt unsere Reise – Häh!?!? Nun sind wir schon eineinhalb Jahre unterwegs und unsere Reise soll erst jetzt beginnen? Klar, denn die Idee war und ist, die Panamericana zu bereisen. Die Panamericana beginnt in Quellon auf der Insel Chiloe. Es steht ein etwas schäbiges Monument an ihrem Anfang der weltberühmten Strasse mit dem Hinweis, dass es von hier bis zum Ende in Ancorage in Alaska 21‘000km sind.

 

Ob wir es wohl wirklich bis dorthin schaffen werden? Was steht uns auf dieser Strecke noch alles bevor? Es gehen uns einige Dinge durch den Kopf und wir sind einen Moment nachdenklich, bevor wir wieder ins Auto steigen und auf der Panamericana nach Norden rollen. Unser 4. Start auf dieser Reise.

Allewelt hat uns vorgeschwärmt wie schön Chiloe sei. Doch nach unserer Fahrt auf der Carretera Austral, welche trotz lausigen Strassenverhältnissen eine Märchenreise war, sind wir von Chiloe etwas enttäuscht. Wir haben uns viel Natur, schöne Dörfer und gepflegte Felder vorgestellt. Die Aufteilung stimmt in etwa. Doch die Natur wird mit hohen Eintrittsgeldern belegt, die Dörfer sind voller Touristen und die gepflegten Felder werden von einer Unzahl kleiner Gästehäuser und Kiosken dekoriert. Wir suchen deshalb die Nebenstrassen, finden die vermeidliche Idylle aber nicht.

 

Im Hauptort der Insel, Castro, finden wir ein deutsches Kaffee und heitern unsere Stimmung mit Kaffee und Kuchen auf. Bald sind wir mit Marion, der Besitzerin, im Gespräch und plaudern über das Leben und Reisen in Chile. Dabei kommen wir auf unsere Arbeit im Patio Suizo in Santiago zu sprechen und sie erwidert, dass auch sie lange Zeit in einem Hotel in Chile gearbeitet hat, bevor sie nach Chiloe kam und das Kaffee eröffnet hat. Als wir laut darüber nachdenken, ob wir vielleicht ein kleines Hostel in Chile übernehmen wollen, meint Marion, wir sollen doch eine Freundin in Los Angeles besuchen. Ihr Mann sei gestorben und sie suche einen Nachfolger für den idyllischen Ort. Dankbar nehmen wir den Hinweis und die Adresse entgegen. Wir lassen es uns durch den Kopf gehen.

In der Hoffnung nun doch endlich das wahre Chiloe zu finden setzen wir auf eine der kleinen vorgelagerten Inseln über. Es ist die Isla Quinchao. Wir fahren bis zum Hauptort Anchoa und finden eine schönen, kleinen Campingplatz mitten im Dorf. Die Zwetschenbäume recken uns die reifen Früchte entgegen und überhaupt ist der Ort sehr gemütlich.

Abendstimmung in Achao, Isla Quinchao
Abendstimmung in Achao, Isla Quinchao

Am Abend schlendern wir durch das Dorf und am Hafen entlang. Leichter Nebel wälzt sich durch die Strassen. Die Strassenbeleuchtung hängt tief und verbreitet ein schwaches Licht. In der Abenddämmerung beobachten wir die Fischer, wie sie sich an den Molen auf das Auslaufen vorbereiten: Sie laden Eis, Kinder ärgern ihre arbeitenden Väter, Jugendliche stehen spottend am Land, die Fischer rufen sich Witze zu, dahinter Flanierende, neugierig den Fischern zugewandt.

Hier finden wir die Illusion des malerischen Chiloes erfüllt.

 

Chiloe ist ebenfalls berühmt für seine unzähligen Holzkirchen. Sie gehören zum Weltkulturerbe. Eine der Kirchen steht in Anchao, es ist die Älteste. Die Längste befindet sich im einige Kilometer entfernten Quinchao. Am Morgen fahren wir dorthin und besichtigen die Holzkonstruktion. Es ist eine rohe Bauweise, die an den Schiffsbau erinnert. Das grosse Gewölbe des Daches beeindruckt mit den Holzbalken und –sparen, die in einem ausgeklügelten System ineinandergreifen.

Sintflut

Zurück auf der Hauptinsel, wählen wir eine Küstenstrasse zu einer weiteren Holzkirche, doch auf halbem Weg geben wir auf. Die Strasse ist sehr schlecht und wir haben die Nase voll. Es regnet seit 3 Tagen und wir sind Chiloes überdrüssig. Wir nehmen den kürzesten Weg auf die Hauptstrasse bis nach Ancud. Hier ist ein Hostel welches mit unserem Patio Suizo in Santiago kooperiert und wir hoffen auf eine preiswerte Unterkunft.

 

In Ancud schüttet es aus Kübeln. Martin den Hostel-Besitzer finden wir nicht vor, doch dürfen wir auf dem Parkplatz übernachten und die Einrichtungen des Hostels kostenlos benutzen.

 

Da wir nun schon auf Chiloe sind, müssen wir unbedingt auch das traditionelle Menü „Curanto“ probieren. Speziell in Ancud ist ein Restaurant berühmt für sein ausgezeichnetes Curanto. Wir sind gespannt.

Erst einmal schlagen wir uns damit herum, dass es in den Strassen zu Überschwemmungen kommt und das Restaurant geschlossen ist. Wir drücken uns an die geschlossene Tür und schauen ratlos in den Regen hinaus als eine Gestalt auf uns zukommt. Sie hebt den Kopf und sieht uns abschätzend unter der nassen Kapuze hervor an.

In schönstem Schweizerdeutsch meint die Gestalt. „Ihr seid aber doch bestimmt nicht mit diesem Auto aus der Schweiz bis hierher gefahren, oder?!“

Schnell ziehen wir die junge Frau zu uns in den schützenden Türrahmen. Klar sind wir, entgegnen wir und ernten ein erstauntes Kopfschütteln.

Die junge Frau stellt sich als Maja vor. Sie ist alleine unterwegs und ebenfalls im Hostel von Martin einquartiert. Da die Diskussion im Regen nicht sehr gemütlich ist, verschieben wir diese in ein nahes Kaffee. Später kehren wir zurück für das ersehnte Curanto – Kartoffeln, Muscheln, Rind, Hühnchen in Brühe, im Erdofen gekocht, und nicht wirklich speziell.

Kaum haben wir unsere Teller leer, da sitzen wir zu fünft am Tisch, denn es haben sich auch Alfredo und Trudi, zwei Schweizer vom Nebentisch zu uns gesellt. Mit dem angeregten Gespräch, dem Alkohol und der angenehmen Gesellschaft werden auch unsere, nun schon seit einigen Tagen nassen und kalten Knochen langsam wieder warm.

 

Am nächsten Morgen treffen wir Maja beim Frühstück. Aufgrund des schlechten Wetters hat auch sie beschlossen ihren Chiloe Besuch abzubrechen und nach Puerto Montt zurückzukehren. Wir bieten ihr an, bei uns mitzufahren.

In Puerto Montt tanken wir, gönnen uns wieder einmal das zweifelhafte Vergnügen eines Hamburgers einer berühmten Amerikanischen Fastfood-Kette und fahren weiter. Maja bleibt sitzen, denn Puerto Montt gefällt ihr genauso wenig wie uns.

 

Unser Ziel ist Puerto Varras. Hier klopfen wir beim Casa Azul an. Ein weiteres Hostel, das mit dem Patio kooperiert. Leider ist es auch hier ausgebucht, doch dürfen wir uns in den kleinen Parkplatz des Hauses quetschen (30 Minuten zirkeln und 3 Autos hineinmanövrieren) und im Auto schlafen. Maja schläft auf dem Dachboden unter der zu trocknenden Wäsche.

 

Nach einer Runde durch Puerto Varas wissen wir, dass man Südamerikaner sein muss, damit einem diese Mischung aus kitschiger „Deutsch“-Imitation und Vorortssiedlung gefällt. Wir fahren weiter nach Puerto Octay. Armin vom Patio hat uns ans Herz gelegt seinen Freund Armin in Puerot Octay zu besuchen, dieser hat ein Hostel mit Namen Zapato Amarillo (gelber Schuh). Bald finden wir das hübsche Anwesen. Es ist traumhaft. Begrüsst werden wir von Armin und Nadja, seiner Frau, dazu freut sich auch noch Luna die Berner Sennenhündin. Zum Schluss umstreicht noch Cleo die wunderschöne Hauskatze unsere Beine – wir fühlen uns zu Hause.

 

Das Hostal besteht aus einem Ensemble von mehreren Häusern. Sie sind in einem üppigen Garten mit vielen Büschen und Bäumen verteilt und bieten gleichzeitig einen herrlichen Ausblick auf den Vulcan Osorno am anderen Ende des Sees Llanquihue und Privatsphäre.

 

Für die erste Nacht mieten wir zu dritt ein Zimmer. Die zweite Nacht dürfen wir dann im Auto schlafen und Maja wechselt in den Dorm. Dafür hilft Paddy Armin beim Bauen eines kleinen Unterstands. Nach kaum 24 Stunden sind wir hier „angekommen“ und wollen gar nicht mehr weg. Puerto Octay ist zwar ebenfalls „nur“ ein Ensemble aus verwitterten Wellblechhütten, doch mit dem Sonnenschein ist es plötzlich gemütlich und gefällig. So sehr spielt das Wetter und die innere Befindlichkeit eine Rolle, ob es uns an einem Ort gefällt. Wahrscheinlich hätte es uns auf Chiloe ebenfalls gut gefallen, hätten wir nette Menschen getroffen und Sonne gehabt.

 

Paddy vertreibt sich die Zeit mit Luna. Sie ist ein ausgewachsener Berner Sennenhund, hat das aber selbst noch nicht ganz realisiert. Noch immer glaubt sie ein kleiner, junger Hund zu sein, wenn sie sich einem aus vollem Galopp an die Beine schmeisst. Es ist ein unglaublich lieber Hund und Paddy bringt ihr bei, was Spielen heisst. Zuerst traut sie sich gar nicht zuzubeissen, doch dann findet sie Spass daran sich mit den Zähnen in Paddys Hand festzuhaken und sich ziehen, schütteln und herumwirbeln zu lassen. Am Schluss sind beide fix und fertig. Doch weiter geht’s, denn Cleo, die Katze will auch spielen. Sie ist wunderschön gezeichnet, mit einem rabenschwarzen Kopf und einem schwarzen Körperfell, bei welchem ganz intensiv Braun durchschimmert. Am Abend weisen Paddys Hände etliche Kratz- und Beiss-Spuren auf und sehen aus, als wären sie durch den Fleischwolf gedreht.

Klar stehen die beiden Damen am nächsten Morgen schon bereit, um wieder zu spielen…

 

Im Zapato Amarillo treffen wir auch Conny und Stan aus Oregon, USA. Sie ist Deutsche, lebt aber schon lange in den USA. Stan ist Geschichtsprofessor – ein gefundenes Fressen für Paddy. So sitzen die beiden den ganzen dritten Tag zusammen und suchen Informationen zum Aufstieg und Untergang des Oströmischen Reiches… wen’s interessiert…

 

Wir verbringen lustige und interessante Tage im Zapato Amarillo und brechen nicht sehr gerne auf. Maja entschliesst sich, noch ein Stück mit uns zu fahren.

Wälder und Araukarien

Unser nächstes Ziel ist das Gebiet um Pucon und weiter den Seen entlang. In Panguipulli übernachten wir auf dem Camping Gerber(!) und erreichen dann Choshuenco mit seinem schönen weissen Sandstrand. Der See ist angenehm warm und das Wetter toll. Aus einem kleinen Zwischenhalt wird ein Badetag und wir holen uns in unserem Optimismus einen heftigen Sonnenbrand, autsch! In dieser Nacht glühen wir wie Glühwürmchen.

 

Wir versuchen, möglichst im Osten Chiles einen Weg den Bergen entlang zu finden. Die Karten sind verwirrend. Schliesslich enden wir im Villarrica N.P. Einige Karten weisen einen Weg durch den Park aus, andere nicht. Jedenfalls würde uns der Weg durch den Park etliche Dutzende Kilometer einsparen. Bereits die Einfahrt in den Park ist für normale Autos nicht mehr möglich, doch wir fahren los. Holprig geht es zwischen den hohen Bäumen hindurch. Nach zwei Kilometern stossen wir auf eine Parkwächter-/Holzfällerhütte und fragen nach dem Weg. Die Antwort ist wenig ermutigend. Es würde wohl schon irgendwie gehen, doch gäbe es eine Passage von 200m Länge, welche so stark ausgewaschen ist, dass ein Durchkommen schwierig sei. Wir lassen uns nicht gleich entmutigen und wollen uns die Passage ansehen. Umdrehen können wir dann immer noch.

Die Strasse ist abenteuerlich und schön. Der Wald hat ein dichtes Unterholz. Die mächtigen Bäume ragen hoch hinauf und ermöglichen einen weiten Blick zwischen den Stämmen in den Wald.

Wir sind noch nicht an der beschriebenen, schwierigen Stelle angekommen, als wir uns entschliessen umzudrehen. Uns ist das Risiko zu gross, das Auto zu beschädigen. Die Landschaft bis hierher war es bereits Wert die Strasse zu fahren, doch weiter wollen wir nicht.

Wir drehen um und erleben bange Minuten beim Überqueren einer kleinen Brücke, welche von der anderen Seite problemlos zu befahren war. Erst nach einigen kleineren Umbauten befährt Paddy die Brücke während Petra haare-raufend auf und ab hüpft, aus Angst, dass Paddy mit den Rädern nicht genau die vorbereitete Passage trifft.

 

Die Landschaft ist unglaublich. Einen Tag später gelangen wir auf der anderen Seite des Berges an und fahren durch den jenseitigen Teil des gleichen Nationalparks. Er besteht nur aus Araukarien, welche dick mit Mosen bewachsen sind. Die Mose hängen wie Bärte an den Bäumen, weshalb sie hierzulande als Barba viejos (alte Bärte) bezeichnet werden. Immer wieder fahren wir von der Strasse weg und in den Wald hinein. Wir durchstreifen das Dickicht und bestaunen den bizarr-schönen Wald. Leider lassen wir die Landschaft schon allzu bald hinter uns.

 

Unvermittelt hält Petra am Strassenrand an. Irgendetwas stimmt nicht mit dem Auto, meint sie. Ein Blick auf die Hinterräder klärt das Problem: Plattfuss. Da haben wir für viel Geld neue Reifen gekauft und nun schon wieder einen Plattfuss! Was soll dass. Schon der zweite Plattfuss bei diesem Reifen und das nach knapp 1000km! Wütend wechseln wir das Rad.

 

In Lonquimay übernachten wir bei unangenehmen Nieselregen zu dritt im Auto – Maja ist weiterhin mit von der Partie – und lassen den Reifen reparieren. Der Gomista (Reifenreparatur-Spezialist) gibt uns dann auch den entscheidenden einleuchtenden Hinweis darauf, weshalb der Reifen wohl schon zum zweiten Mal ein Loch hat. Beim Versand auf Paletten werden die Versandzettel mit Tacker auf die Reifen geheftet. Der Abstand der beiden Löcher entspricht in etwa dem üblichen Versandzettel. Welcher Idiot kommt auf die Idee Klammern in einen Reifen zu tackern! Südamerika erstaunt uns wieder einmal…

 

Wir jedenfalls haben die Schnauze voll. Nur immer Regen, kalt, Plattfuss… bähhh. Nix wie weg von hier. So steuern wir die Panamericana an und machen uns auf den Weg nach Norden. Ziel ist das Weingut Chillán bei der gleichnamigen Stadt. Auf dem Weg dorthin wollen wir noch das Hostal in Los Angeles anschauen, welches uns zum Kauf empfohlen wurde.

 

Nach einigem Suchen finden wir das Hostal dann auch. Es ist sehr abgelegen und wirklich ein Garten Eden. Es gäbe einiges zu tun in diesem Paradies, doch schön ist es. Leider stimmt die Chemie mit der Besitzerin nicht mit der unseren überein und wir ziehen am nächsten Tag weiter. Ohnehin sind wir uns in der Zwischenzeit ziemlich sicher, dass wir nicht nach Chile auswandern wollen. Überhaupt haben wir Zweifel, ob wir glücklich wären ein Hostal für längere Zeit zu führen. Für einige Monate, ja, doch für einige Jahre – wohl eher nicht.

Dionysische Freuden

Bei Ruedi, unserem Bekannten und Besitzer von Viña Chillán haben wir uns telefonisch angekündigt.

 

Auf dem Weg zu Ruedi wird uns bewusst, dass wir etwas reisemüde sind. In den Wochen und Monaten seit unserem Aufbruch aus Santiago haben wir unglaublich viel gesehen und aufgenommen – nun ist der Kessel voll. Wir brauchen erst wieder Zeit, um alles zu verarbeiten und wieder frei zu werden für neue Eindrücke und Erlebnisse.

 

In der Einfahrt zum Weingut werden wir von Conny und Stan, unseren Bekannten aus Puerto Octay begrüsst. Auch Ruedi ist bald zur Stelle und es wird ausgiebig zu Mittag gegessen. Dabei kommen wir darauf zu sprechen, dass am nächsten Tag der Boden in der vor 2 Jahren beim Erdbeben beschädigten Bodega betoniert werden soll. Bei einem Rundgang klagt Ruedi, dass die Arbeiter keine Ahnung hätten und die Armierungseisen flach auf den Boden gelegt hätten. Kurzentschlossen machen sich Ruedi, Petra, Maja, Stan und Paddy ans Werk. Die Damen schneiden und biegen Armierungseisen zu Abstandhaltern, die Herren befestigen sie anschliessen unter den Gittern. Am Abend sind wir müde und stolz auf unsere Arbeit. Vor allem die Ladies haben Schwerstarbeit geleistet mit dem Schneiden und Biegen.

Jetzt ist es herrlich in den Pool vor dem malerischen Gästehaus zu springen. Am liebsten möchten wir drin bleiben, doch die hereinbrechende Nacht bringt blaue Lippen und wir laufen schnell, um uns warm anzuziehen. Ruedi spendiert darauf ein feines Nachtessen mit Unmengen an noch feinerem Wein.

Leider fahren Stan und Conny am nächsten Morgen weiter. Wir hoffen, dass wir sie in Oregon besuchen können, wenn wir in den USA sind.

 

Maja schläft im Gästehaus. Wir machen es uns im Auto gemütlich – unsere Rücken sind sich an unser Bett gewohnt. Vor allem ist es jetzt warm genug, um bei offenem Dach, nur durch Moskitonetze vor den Quälgeistern geschützt, die freie Sicht auf die Weinreben zu geniessen und dabei einzuschlafen.

 

Am nächsten Morgen kommt der Beton. Ruedi und Paddy beobachten das Heer von Arbeitern kritisch. Ohne unsere mühselige Arbeit vom Vortag zu beachten stapfen sie die Abstandhalter in den Boden und die Armierungseisen liegen wieder flach auf dem Untergrund. Als Ruedi den Arbeitern versuchen klar zu machen, dass die Armierungseisen nichts nützen, wenn sie nicht vom Beton umschlossen sind, nicken zwar alle verständnisvoll, doch machen genau gleich weiter. Da platzt den beiden Schweizern der Kragen und sie stürzen sich ins Gewühl. Mit Spitzhaken heben sie das Armierungseisen an und schieben den Beton darunter. Schliesslich sind es dann auch sie, die den Beton verteilen und die Arbeiter beschränken sich auf’s Schubkarrenschieben (2 von 9), Abziehen des Betons (2 von 9) und Rauchen (5 von 9). Vor allem Ruedi erntet anerkennende Blicke von den Arbeitern, er arbeitet wie eine Maschine. So unterscheiden sich die Arbeitsgewohnheiten. Ruedi, der Bauer aus der Schweiz auf der einen Seite – die Bauarbeiter aus Chile auf der anderen. Es ist zu bezweifeln, dass einer der Arbeiter mit Ruedi hätte Schritthalten können. Die hätten wohl schon nach einer Stunde schlapp gemacht.

 

Während die beiden Herren sich im Betonieren üben, jäten Petra und Maja den ganzen riesigen Vorplatz und die Zufahrten rund ums Haus. Es ist eine Sisifus-Arbeit und am Abend sind 5 Schubkarren gefüllt.

 

Alle 4 sitzen wir wie gerädert beim Abendessen. Als neue Gäste eintreffen. Klar kennen wir auch diese schon. Es sind Alfredo und Trudi aus dem Restaurant in Ancud.

Etwas später sehen wir Armins Auto vorfahren. Was soll das? Kommt nun unser Freund Armin aus dem Patio? Nein es sind Freunde von Fritz vom Refugio Suizo, die Armins Auto gemietet haben.

 

Liebe Leser, merkt ihr etwas? Ja, es ist wirklich unglaublich, wie oft man hier den immer gleichen Menschen begegnet. Dabei geht es oft um Stunden oder Minuten, um welche man sich nicht verpasst hat. Interessant wäre es zu wissen, wie viele mehr wir nicht getroffen und nur um Minuten verpasst haben.

 

Die nächsten Tage unterstützen wir Ruedi so gut wie es geht. Paddy hat herausgefunden, dass Ruedi einen Virus auf seiner Webseite hat und versucht das Problem zu lösen. Petra und Maja stürzen sich in die Reben. Die Trauben brauchen kurz vor der Ernte viel Licht, um einen guten Zuckergehalt zu entwickeln. Es gilt die Blätter zu lichten.

 

Aus dem Reparaturversuche an der Webseite wird eine neue Webseite und aus dem Blätter auslichten eine Daueraufgabe.

 

Eine Woche später wird die zweite Hälfte der Bodega betoniert. Dieses Mal sind alle schlauer. Erst wird eine Lage Beton eingebracht, bevor man die Armierungseisen verlegt und die abschliessende Lage Beton darüber verteilt. Dennoch ist es amüsant die Arbeiter zu beobachten, wie sie sich unorganisiert gegenseitig behindern. Speziell amüsant ist zu sehen wie der Maestro in Lackschuhen und mit Krawatte versuchte sein Ansehen bei seinen Leuten wieder herzustellen und zu beweisen versucht, dass auch er, genauso wie Don Ruedi, arbeiten kann. Nach einer Stunde hat er einen dringenden Telefonanruf und eine andere Baustelle, welche ein Problem hat. Paddy befreit ihn aus der Verlegenheit und übernimmt seine Arbeit.

 

Eines Abends, wir sitzen gerade gemütlich beim Abendessen, knackt das Gebälk und Ruedi erbleicht. Erdbeben! flüstert er. Er ist immer noch sehr nervös wenn es wackelt. Das starke (9+) Erbeben von vor zwei Jahren (2010) stecken ihm immer noch mächtig in den Knochen. Er war damals ganz alleine im Haus. Das Epizentrum war gerade mal 40 km entfernt. Er sah eine regelrechte Welle übers Land kommen. Nicht eine Welle mit Wasser, nein, den Boden hatte es dermassen aufgeworfen. In der Bodega sind die Beine der grossen Tanks im Boden eingesunken und wie Dominosteine umgefallen. Dabei haben sie einen beträchtlichen Schaden an den Wänden und am Dach verursacht. Im Haus lag anschliessend alles auf dem Boden. Und Ruedi selbst konnte 1 Jahr lang nicht mehr ruhig schlafen.

Später in derselben Nacht glauben wir noch weitere Beben zu spüren; doch kann es auch sein, dass einfach nur das Auto wackelte, weil sich der eine von uns gedreht oder eine Windböe das Auto erfasste hat.

 

Nach einer Woche bei Ruedi verlässt uns Maja. Sie hat nicht unbegrenzt Ferien und möchte noch Santiago anschauen. Klar buchen wir für sie ein Zimmer im Patio – sie hat gar keine andere Wahl. Aus einer Mitfahrgelegenheit bis zur nächsten Stadt, ergab sich eine gemeinsame Reise von fast 3 Wochen. Schade dass sie uns verlässt, es war schön, sie bei uns zu haben.

 

Wir entschliessen uns, geplante Besuche von Sehenswürdigkeiten auf der weiteren Strecke nach Santiago auszulassen. Dafür bleiben wir noch einige Tage und machen die Webseite fertig. Wir sind definitiv reisemüde, freuen uns aufs Patio Suizo, unserer Chilenischen Heimat und auf unsere drei Monate in der Schweiz.