Argentinien - Anden

13.11.2011

Vulkanien I

Tagesetappen: Santiago – Tunuyan – Malargüe – El Payen R.P. – Las Lajas

 

Immer länger zögert sich unsere Abreise hinaus. Doch dann ist der Tag da und wir sind wieder unterwegs. Der Abschied war nicht einfach. Zu sehr hat es uns im Patio gefallen.

Als erstes fahren wir direkt nach Tunuyan, südlich von Mendoza. Unser Freund Bertrand hat Probleme und uns gebeten, ihm Ersatzteile zu bringen, welche in Argentinien nicht zu finden sind.

Müde von einer langen Fahrt erreichen wir am Nachmittag des ersten Tages die Farm, wo die Familie als Volontäre arbeitet.

Die Farm ist sehr einfach und auf Selbstversorgung ausgerichtet. Der Besitzer hat die Erkenntnis gehabt, dass das Leben in der heutigen Zeit zu stressig und ungesund ist. Daher hat er einen Biobetrieb aufgebaut, den er vorwiegend mit Volontären betreibt. Die Volontäre sind allesamt sehr an einem alternativen Leben interessiert und kommen aus aller Welt. Es gibt kein Fleisch, kein Zucker und kein Alkohol. Dafür Yoga, Biodünger und Tantras.

Nach zwei Tagen verlassen wir die Farm wieder, gefüllt mit gesundem Grünzeug und leider ohne unsere Freunde. Sie wollen noch eine Woche länger bleiben und wir wollen weiter. Wir haben für unsere Route bis Ushuaia und Weihnachten noch 5000km zu fahren. Für 6 Wochen ist das eine lange Strecke.

Wir fahren die legendäre Caretera 40. Eine Route die den Norden Argentiniens mit dem Süden verbindet. Über alte Teilstrecken fahren wir durch einsame, trockne Landschaften, die nur gelegentlich von grünen Schluchten mit kleinen Flussläufen unterbrochen sind. Es ist faszinierend.

Via Malargüe fahren wir zum Nationalpark Lago Llancenelo. Ausser Staub, einer kurzen Wanderung zu einen Aussichtspunkt und einem langen Gespräch über Wasseraufbereitung mit dem Park-Ranger, gibt es nicht viel zu sehen. So fahren wir direkt weiter zum Reserva Provinicial El Payen. Hier sollen sich auf kleinstem Raum 400 Vulkankegel finden.

Die Strasse ist schlecht und führt uns zuerst durch ausgedehnte Ölfelder. Stetig heben und senken sich hier die unzähligen Pumpen, welche unser Auto am Laufen halten.

Am Wegrand stossen wir auf eine Tafel „Circuit Volcano“. Das ist doch mal was, denn bisher haben wir noch nichts von den unzähligen Vulkankegeln gesehen. Abbiegen und los geht’s.

Beschreiben lassen sich die folgenden Kilometer mit Worten kaum. Zu wechselhaft ist die Landschaft, die Formen, die Farben. Die erste Strecke führt durch ein Labyrinth aus Felsen und verschiedenen Pflanzen, auf, ab, links, rechts. Dann folgt eine 20 Meter breite Terrasse bedeckt mit tiefschwarzem Sand. Von hier blicken wir auf eine weite Ebene mit einem Vulkankegel wie aus dem Bilderbuch. Langsam nähern wir uns dem Berg. Am Fuss des Berges erstreckt sich ein Feld aus schwarzem Sand. Wie von Hand sind gleichmässig, fussballgrosse Steine darauf arrangiert. Ein jeder bizarrer als der andere. Überall glaubt man Gesichter, Tiere oder Gestalten zu erkennen.

Dann erreichen wir den Hauptvulkan des Gebietes, den El Payun. Zuerst bemerken wir es kaum und glauben einfach beim nächsten Höhenzug zu sein. Doch bald merken wir, dass sich der vermeidliche Höhenzug immer weiter in die Höhe zieht und dass er in einem Gipfel endet.

Wir sind schon 4 Stunden unterwegs und erst grad 30 km gefahren als die Dämmerung anbricht. Es ist zwar nicht erlaubt, die Fahrspur zu verlassen, doch uns ist es zu unsicher mitten in der Fahrspur zu übernachten. So stellen wir uns in den weichen Sand gleich daneben.

Vor uns, geschätzte 1000 Höhenmeter tiefer, erstreckt sich eine breite Ebene. Überall erheben sich kleinere und grössere Kegel. Von Osten schiebt sich ein grosses, dunkles Lavafeld in die Ebene. Wir fühlen uns winzig, ganz winzig. Selten spürten wir die Grösse, die Dimension der Erde und wie klein wir selbst im Vergleich dazu sind, so deutlich.

Mit der Morgendämmerung wecken uns die Vögel und wir fahren weiter. Die Fahrspur ist zum Teil kaum noch zu erkennen. Immer wieder müssen wir steile Einschnitte durchqueren. Längst haben wir den Allrad zugeschaltet. Da die Piste der Flanke des Vulkans folgt, fahren wir ständig in Schräglage – ein unangenehmes Gefühl.

Vorbei geht es an riesigen Herden von Guanacos, die in der kühlen Morgenluft äsen. Dann wird die Piste steiler und steiler, macht einige Serpentinen, dann führt der letzte Kilometer schnurgerade bergaufwärts. Nur mit Geländeuntersetzung und dem ersten Gang schaffen wir es hoch. Es ist unglaublich steil. Als es wieder einigermassen flach ist, halten wir an und steigen aus. Immer noch ist es so steil, dass wir befürchten, das Auto könnte trotz eingelegtem Gang und Handbremse rückwärts den Berg hinunter rollen. So bleiben wir beim Auto und schauen zurück.

Die Perspektive ist in ihrer Grösse und Dimension schwer einzuschätzen. Die steile Bergflanke scheint flacher, dafür die Ebene darunter wie hochgeklappt. Wir stehen auf 3000 Meter und schauen auf die Fläche 2500 Meter weiter unten. Auch wenn es pathetisch tönt, uns bekommt ein Gefühl der Demut gegenüber der Erhabenheit und Grösse dieser Landschaft. Mit Hühnerhaut stehen wir beide da bis wir frieren.

Da die Strecke als Circuit angeschrieben ist, hoffen wir, dass sich die Richtung des Pfades bald einmal wendet und zum Ausgangspunkt zurückführt. Doch langsam führt er uns in den Vulkankrater. Vorbei an Gesteinsmauern, welche die ausbrechende Lava vor sich hergeschoben hat. Immer wieder grosse, bizarr anmutende Felsen. Es ist nun schwierig, die Spur nicht zu verlieren. Mehrfach müssen wir aussteigen und die Fährte suchen. Der Weg führt nun durch eine grau-schwarze Landschaft. Nur die vereinzelten Schneefelder bieten einen Kontrast.

Unvermittelt stehen wir vor einer Tafel: Ende der Strecke für Fahrzeuge. Wir gehen zu Fuss noch etwas weiter und drehen dann um. Der Krater misste mehrere Kilometer im Durchmesser. Ihn abzuwandern wäre bestimmt interessant, doch wir denken an die Rückfahrt. Wir wollen heute noch aus dem Park hinausfahren.

Die Rückfahrt ist nicht minder beeindruckend, vor allem die steile Talfahrt am Anfang lässt uns etwas zittern. Selbst im 1 Gang mit Untersetzung ist das Fahrzeug für unseren Geschmack zu schnell und wir treten trotz besseren Wissens zwischendurch kurz auf die Bremse.

3 Stunden und 40 km später sind wir wieder zurück auf der Hauptpiste und wenden uns nach Süden. Auch hier wählen wir einen 4x4-Track, der uns durch eine mindestens ebenso eindrückliche Landschaft führt, bevor wir Stunden später auf die Strassen in den südlich gelegenen Ölfeldern stossen.

Am Abend treffen wir in Las Lajas auf dem Campingplatz ein Schweizer Ehepaar und einen Österreicher. Gemeinsam beschliessen wir den eindrücklichen Tag mit einem Parilla.

 

18.11.2011

Brandblasen

Tagesetappen: Las Lajas – Copahue – Las Lajas

 

Der nächste Tag ist Petras Geburtstag und wir verbringen ihn mit Faulenzen. Zum Abendessen hat sich Petra Spaghetti Bolognese gewünscht. Dazu gibt’s natürlich noch einen guten Wein.

Auf Empfehlung des Schweizer Ehepaars, fahren wir weiter nach Copahue. Ein kleiner Kurort mit Thermen, weit oben in den Bergen, direkt an der Chilenischen Grenze. Hier stossen wir auch zum ersten Mal auf Araukarien. Eindrückliche Bäume, welche bei uns als Zierpflanzen in den Gärten wachsen. Hier sind sie jedoch zu Hause und wachsen um ein vielfaches höher.

Copahue ist noch im Winterschlaf. Alles zu, keiner da. Die Hälfte der Strassen liegt noch unter dem Schnee. Nach kurzer Suche finden wir die empfohlene Schlamm-Therme. In einer kleinen Senke, umgeben von hohen Schneewänden, blubbert der heisse Schlamm. Enthusiastisch stürzen wir uns hinein, um gleich wieder wie von Taranteln gestochen raus zu hüpfen. Wir haben uns den Hinterteil verbrannt! Vorsichtig geworden wagen wir uns nochmals hinein, dieses Mal an Stellen wo kein heisser Dampf aufsteigt. Leicht verkrampft sitzen wir dann da und schmieren uns gegenseitig den heissen Schlamm auf die Rücken. Wir sehen aus wie Schlamm-Monster.

Leider gibt es keine warme Dusche, um sich wieder vom Schlamm zu befreien. So reiben wir uns, so gut es geht, in einem kühlen Bach den eingetrockneten Schlamm von der Haut und verschwenden einen Kanister unseres Trinkwassers für eine Dusche. Der schweflige Geruch bleibt trotzdem hängen.

Auf dem Rückweg suchen wir einen Platz zum Übernachten.

Etwas weg von der Strasse, gleich da hinter den Felsen, meint Petra.

So fahren wir den Fahrweg hoch. Immer tiefer ist er ausgefahren, bis es nicht mehr weiter geht. Also schnell den Allrad zuschalten und auf Mittelstreifen und Rand der Spur fahren. Huch, abgerutscht. So ein Mist, aufgebockt! Alle vier Räder sind in der Luft. Sauber liegt das Fahrzeug auf dem Mittelstreifen auf. Nach einigen Versuchen ist klar: Schaufeln!

Mit dem Hi-Jack müssen wir das Fahrzeug anheben, um das drahtige festgedrückte Gras unter dem Auto raus zu bekommen. 2 Stunden später und vom vielen eingeatmeten und geschluckten Staub bestimmt 2 Kilo schwerer, sind wir wieder frei. Dank Allrad, Differenzialsperre, Untersetzung und Sandblechen.

Die Lust auf Übernachten im Grünen ist uns vergangen. Wir fahren zurück nach Las Lajas für eine warme Dusche.

 

In den folgenden Tagen führt unsere Fahrt in den Lanin National Park, endlich sind wir im Grünen. Am tiefblauen See Quillen verbringen wir zwei Tage wie im Paradies.

Weiter südlich stossen wir auf die ersten Spuren des Vulkans Puyehue, der seit Juni 2011 ständig Asche über ganz Argentinien verbreitet. Wie die Argentinier aber immer wieder betonen, ist der Vulkan in Chile und sie würden nichts dafür können.

Vulkanien II

Nach San Martin ist die ganze Landschaft mit Asche bedeckt. Zwar hat der häufige Regen sie bereits von den Bäumen und Büschen gewaschen, doch liegt sie viele Zentimeter dick auf dem Boden; bis zu 30 Zentimeter. Auf den unzähligen Seen schwimmen Teppiche von Bimstein. Man muss sich mal vorstellen, dass der Vulkan fast 100km weiter westlich liegt!

Wir sind erstaunt, als wir die Ablagerungen am Boden etwas genauer ansehen. Die oberste Schicht ist wie ganz feiner Staub, darunter ist es jedoch wie Sand vom Strand. Uns schaudert, sind wir froh, dass wir nicht hier waren, als all das runterkam.

 


Puyehue

Vulkan Puyehue liegt in Chile und ist seit dem 04.06.11 wieder aktiv. Seither blockiert die Asche wiederholt den Flugverkehrt in ganz Argentinien aber auch im ganzen Südpazifik bis nach Australien und Neuseeland. In Buenos Aires kommt fast jede Woche der Flugverkehrt zum erliegen

Photos in der „Die Zeit“: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2011-06/fs-vulkanausbruch-chile


Das vielgepriesene Bariloche enttäuscht uns. Wir finden, es besteht zu einem grossen Teil nur aus Hotel- und Bau-Ruinen. Nach nur einer Nacht fahren wir weiter und machen einen Abstecher zur Colonia Suiza. Dies ist hübsch und erfüllt sämtliche Klischees über die Schweiz, inklusive Heidi. Nach einem Kaffee sind wir wieder unterwegs, fahren durch die Favelas und Müllhalden von Bariloche und unser „mittelmässige“ Eindruck der Stadt verschiebt sich auf „schlecht“.

 

Nach einer wunderschönen Fahrt durch grüne Wälder und vorbei an blauen Seen gelangen wir nach El Bolson. Auf dem Weg dorthin treffen wir auf zwei Schweizer Radfahrer, die wir auf dem Campingplatz wieder treffen.

Paddy hält einen längeren Schwatz mit dem Besitzer des Campingplatzes. Etwas später kommt noch eine Bekannte des Camping-Besitzers dazu, er stellt sie als seine Schweizer Freundin vor. Die Dame stellt sich in bestem Berndeutsch als Vreni vor. Geboren und aufgewachsen in Argentinien hat sie 12 Jahre in der Schweiz gearbeitet und sich nun in Argentinien zur Ruhe gesetzt. Lange reden wir noch mit den beiden. Als sich Vreni verabschiedet hat sie uns überredet, dass wir noch eine Nacht länger bleiben. Morgen würde sie mit einem Kuchen wiederkommen. Klar, dass wir uns von solchen Argumenten überzeugen lassen.

 

Den Abend verbringen wir aber mit unseren radfahrenden Bekannten bei einer feinen Parilla. Dann faulenzen wir wieder einmal einen Tag lang, bis wir am Nachmittag von Vreni mit einem feinen Kuchen verwöhnt werden.

 

Weiter geht es dann durch den Los Alerces Nationalpark. Leider regnet es und es ist kalt, denn sonst wären wir bestimmt einige Tage hier im Park geblieben. Es ist so schön hier.

So aber fahren wir bis nach Trevelin wo wir uns eine Nacht in einem Hostel gönnen. Überrascht sind wir von Bibiana (Viviana) eine Argentinierin, die nebst Englisch auch noch Walisisches Gälisch spricht. Da es im Dorf (eine hundertjährige Walisische Siedlung) zum Teil noch gesprochen wird, hat sie sich dafür interessiert, meint sie.

Dann führt unsere Route auch schon nach Osten an den Atlantik. Und damit hoffentlich an die Wärme. 600 km quer durch Argentinien liegen vor uns, ein sehr spärlich besiedeltes Stück Argentinien. Begleitet von Regen und Wolken fahren wir durch das Tal des Rio Chubut und bedauern, dass das Wetter nicht mitspielt. Das breite Tal, mitten im Nirgendwo, präsentiert eindrückliche Steilwände, welche selbst bei diesem schlechten Wetter in alle Farben schillern.

 

Über Dolavon, Gaiman und Trelew, alles walisische Siedlungen, fahren wir nach Puerto Madryn und weiter nach Norden zur Peninsula Valdez.