06.03.2014

Rauchige Berge

Auf dem Weg erreicht uns eine Nachricht von unserem Bekannten, Patrick, in Delaware. Wir hatten mit ihm abgemacht, dass wir bei ihm unser Auto für den Transport nach Europa vorbereiten. Wie er uns nun schreibt ist sein Vater gestorben. Für uns ist es klar, dass wir nicht zu ihm können.

Über Paddy’s Verwandte Sarah haben wir Kontakt mit deren Freundin Meredith in Washington. Wir haben bereits vereinbart, dass wir für die letzten Tage unserer Reise bei ihr wohnen dürfen. Wir freuen uns, denn wir kennen Meredith bereits von einem Besuch bei uns in der Schweiz.

Kurzentschlossen rufen wir sie an und fragen, ob sie wohl eine Idee hat, wo wir unser Auto vorbereiten könnten. Leider hat sie keinen Platz bei sich, doch ihre Eltern bieten sich an, dass wir unsere Arbeiten bei ihnen machen können.

Wieder einmal sind wir beeindruckt von der Hilfsbereitschaft und Offenheit der Amerikaner. Es ist eine Qualität, welche wir in Europa nicht kennen und etwas wo wir wirklich von den Amerikanern lernen könnten.

 

Wir haben befürchtet, dass die Passstrasse durch den Park zugeschneit sein könnte, zum Glück werden unsere Befürchtungen nicht bestätigt. Wir entscheiden uns, den Park zu durchqueren und auf der anderen Seite nach einer Übernachtungsmöglichkeit Ausschau zu halten.

Die steile Strasse führt durch totenstille Wälder, die eben erst die Schneedecke abgeschüttelt haben. Die Bäume strecken uns ihre kahlen Arme entgegen und wir haben Mitleid mit ihnen – und mit uns. Wir haben uns vorgestellt, dass wir nun endlich wieder etwas Grün sehen würden. Zum Glück löst bald Nadelwald den Laubwald ab und wir kommen doch noch für einige Kilometer in den Genuss einer grünen Landschaft.

Leider ist es heute bedeckt und die Landschaft in ein diesiges Licht getaucht. Es ist schwierig, Berge in der Ferne auszumachen. Auch unsere Fotos wollen nicht so recht gelingen, denn obwohl es bedeckt ist, hat es zu viel Licht und die Fotos sind zu hell oder zu dunkel. Schade, müssen wir halt die Bilder wieder einmal in unseren Köpfen mittragen – ohne Beweisfotos.

Auf der anderen Seite des Parks finden wir auch den einzigen Campingplatz im Park, der offen ist und stellen uns auf einen der einfachen Plätze.

Es ist bereits finster als Petra ins Auto kommt und meint, dass noch ein anderer Landcruiser auf dem Platz steht. Es ist der erste, dem wir seit langem begegnen. So spazieren wir am nächsten Morgen rüber und lernen Henk und Marianne aus den Niederlanden kennen. Sie sind schon seit 12 Jahren unterwegs und sind ebenfalls von Südamerika hochgefahren. Im Unterschied zu uns reisen sie nur ein halbes Jahr am Stück und kehren zwischendurch nach Hause zurück. Das wäre auch für uns die ideale Reiseart. Wir merken, dass wir uns mit den letzten 1½ Jahren reisen am Stück überfordert haben. Ein Unterbruch von einigen Monaten zwischendurch hätte uns gut getan und wir hätten wohl viele Dinge, vor allem am Schluss der Reise, mehr geschätzt.

Als wir zum ersten Mal auf die Uhr schauen, ist der Vormittag schon weit fortgeschritten. Wir wollen heute noch wandern und müssen uns nun sputen. Henk und Marianne begleiten uns noch ein Stück, dann stürmen wir los – nicht lange, dann sind wir ausser Atem. Unsere Kondition lässt sehr zu wünschen übrig. Wir merken, dass wir in den vergangenen Monaten kaum Bewegung hatten. Dennoch ist es schön wieder einmal alleine in der Natur unterwegs zu sein. Einzig die kahlen Bäume sind nicht so schön wie sie sein könnten. Dafür erhaschen wir zwischendurch immer mal wieder einen schönen Ausblick über die Berge. Endlos scheint der Weg anzusteigen. Uns brennen bereits die Beine. Immer weiter geht es aufwärts. Immer wieder sehen wir die runden, bewaldeten Berge der Smoky Mountains wie sie hintereinander gereiht, mit jedem Bergkamm fahlen, im Dunst verschwinden. Dann endlich ist der höchste Punkt hinter uns und es geht beschwingt bergab. Wir haben Glück, dass es hier in den letzten Tagen weder geschneit noch geregnet hat. Der Weg wäre eine ziemliche Schlammschlacht…

 

Als wir unten ankommen entschliessen wir uns nicht gleich weiter zu fahren. Wir wollen den Sonnenschein geniessen und einfach noch ein letztes Mal die Nationalpark Atmosphäre in uns aufnehmen. Erfreut stellen wir fest, dass auch Henk und Marianne noch nicht weg sind. Zwar sitzen sie bereits im Auto und haben eben den Motor gestartet, um abzufahren, doch sie sind schnell überredet noch eine Nacht zu bleiben und uns Gesellschaft zu leisten.

 

Als Highlight unserer Rückreise haben wir uns den Blue Ridge Parkway aufgespart. Er zieht sich über mehrere hundert Kilometer von den Smoky Mountains in North Carolina bis hinauf nach Charlottesville in Virginia. Die Strecke führt dabei fast ausschliesslich über den Bergrücken der Blue Ridge Mountains. Gleich am Anfang der Strecke werden unsere Erwartungen enttäuscht. Fast die gesamte Strecke ist noch geschlossen. Teils wegen Schnee, teils wegen Bauarbeiten und teils wegen Mangel an Geld.

Guter Rat ist teuer. Was nun? Kurzentschlossen fahren wieder auf die Autobahn und fahren zügig nach Norden.

 

Hier erhalten wir ein SMS von Paddys Cousine Sarah. Sie schreibt, dass sie auf dem Weg nach Süden ist und fragt, ob wir wohl in der Nähe ihrer Route sind. Vielleicht könnte man sich für ein Mittagessen treffen.

Schade sind wir nicht in der Nähe. Es wäre schön gewesen sie noch einmal zu sehen. Überhaupt wäre es schön gewesen sich von ihr und ihrer ganzen Familie nochmals verabschieden zu können bevor wir nach Hause fahren. Eine halbe Stunde später steht für uns fest, wenn möglich fahren wir nach New Jersey hoch und besuchen die Familie. Eine weitere halbe Stunde bekommen wir auch noch die Zusage von Paddys Cousine Patricia in New Jersey. Somit ist klar, wir machen kurzentschlossen 800 Kilometer Umweg und treffen uns nochmals mit Paddy’s Verwandtschaft. Dadurch müssen wir auch nicht Meredith’s Eltern bemühen und können in aller Ruhe unser Auto in Blairstown vorbereiten. 

Gross ist die Freude über das Wiedersehen. Auch Sarah wird auf dem Rückweg nach New Hampshire einen Stopp bei ihren Eltern einlegen. Sie weiss nicht, dass wir da sind und auf sie warten. So stürmt sie dann auch einige Stunden später mit grossen Augen zur Tür herein. Es ist so schön alle nochmals zu sehen.

 

Das Wochenende nutzen wir um unser Auto zu reinigen und unsere Rucksäcke zu packen. Geplant haben wir auch, dass wir eine Trennwand aus Holz zwischen Fahrerabteil und Rest des Fahrzeuges einziehen. Wir wollen nicht, dass sich die Hafenarbeiter oder die Matrosen auf dem Schiff an unserem Gepäck vergreifen können. Doch als wir unsere bestehenden Verschlussmöglichkeiten nochmals betrachten, entschliessen wir uns, die Holzwand weg zu lassen. Wir können alle noch oben öffnenden Klappen verschrauben und den Gang mit den Schiebern verschliessen, welche wir wiederum verschrauben können. Die Schrauben überkleben wir mit der Filzabdeckung. Das sollte reichen.

 

Am Dienstag schaffen wir es auch noch Patricias und Garys Sohn, Alan, in Montclaire bei New York zu sehen und dabei nochmals einen Blick auf New York zu erhaschen – wenn auch nur aus der Ferne.

Dann müssen wir los. Morgen geben wir unser Auto im Hafen ab. Unser erstes Ziel ist Meredith’s Wohnung in Arlington.

Mike, Merediths Wohngenosse, empfängt uns. Es schüttet aus Kübeln. Schnell rennen wir ins Haus und deponieren unsere Rucksäcke im Haus. Dann geht es weiter nach Baltimore. Im dichten Feierabend-Verkehr schaffen wir die 70 Kilometer in 2 Stunden. Für die Nacht haben wir uns nochmals ein Hotelzimmer gemietet.

 

20.03.2014

Verschiffung ab Baltimore

Am Morgen stehen wir bereits um Viertel vor Neun auf dem Parkplatz beim Agenten im Hafen. Auf Empfehlung von Seabridge, der deutschen Verschiffungsfirma, haben wir mit einem ortsansässigen Deutschen abgemacht, der uns mit den Formalitäten und dem Escort-Dienst im Hafen helfen wird. Der Mann ist eine halbe Stunde zu spät dran und wir müssen ihn anrufen, um zu wissen, wo er steckt. Anschliessend kommt er nicht zum vereinbarten Treffpunkt sondern geht direkt zum Zollagenten. Hier treffen wir Herrn Müller dann endlich.

Die nächste Überraschung hält er auch schon bereit. Paddy kann nicht wie abgemacht in den Hafen und unser Auto selber abgeben. Er macht uns weiss, dass es besser ist, wenn er das macht, da er eine Bewilligung hat selbst mit einem Auto in den Hafen zu fahren. Wir sind ziemlich verärgert. Es ist komplett anders als wir es abgemacht haben. Vor allem wollen wir unser Auto auf den letzten Kilometern auf diesem Kontinent nicht jemand anderem in die Hände geben. Als wir darauf bestehen, dass wir den Escort-Service wollen, so wie schriftlich abgemacht und er uns auch bestätigt hat, meint er lakonisch, dass wir uns dann halt selber organisieren müssen. Paddy dreht im roten Bereich und der Dampf pfeift ihm aus den Ohren. So eine Frechheit!

Schliesslich müssen wir uns aber fügen, denn kurzfristig können wir keinen Escort Dienst mehr organisieren.

Beim Agenten treffen wir auch noch Erich und Esther. Sie sind ebenfalls schon lange unterwegs und auch daran, ihren Lastwagen zu verschiffen. Gemeinsam warten wir bis unsere Fahrzeuge abgegeben sind.

 

Zwei Stunden später kommt Herr Müller zurück. Unser Auto ist abgegeben. Wir bekommen die Quittung und Herr Müller nimmt uns noch mit nach Washington. Zwar ist die Verschiffung nicht ganz so abgelaufen wie geplant, doch sind wir zuversichtlich, dass wir das Auto in Hamburg in Empfang nehmen können.

 

Von Seabridge haben wir bereits erfahren, dass das Schiff Verspätung hat. Somit werden wir das Auto nicht wie geplant am 16. April in Hamburg bekommen. Es wird mindestens 22. April. Somit nochmalige Planänderung. Aber vorläufig haben wir noch Zeit und müssen nicht zur Arbeit. Vor allem aber haben wir mit Verspätungen gerechnet.

Washington – Die Hauptstadt

Es ist wieder einmal überraschend wie sehr hierzulande vieles vollmundig im mundialen Superlativ angepriesen wird. So sind wir auch nicht überrascht, dass Washington kurzerhand zur wichtigsten oder berühmtesten Hauptstadt des ganzen Planeten angepriesen wird. Immer wieder müssen wir über diese gedankenlose Übertreibung schmunzeln. Vielen Besuchern muss das als anmassend oder arrogant erscheinen. Doch hat man die USA bereist, weiss man, dass dieser Art von Superlativ einfach zum Sprachgebraucht gehört. Ohne grosse Bedenken wird ein Burger zum weltbesten Sandwich oder ein Kammerjäger zur weltbesten Pest-Control.


Die Weltbesten – oder stinknormal

Bei uns in Europa hat man oftmals den Eindruck, dass die US-Amerikaner grossspurig und besserwisserisch sind.

Wir haben einen anderen Eindruck gewonnen: Es sind normale Menschen, wie du und ich. Mit genau denselben Sorgen, Hoffnungen und Träumen. Wir haben niemanden getroffen, der das Gefühl hat, dass die Menschen hierzulande besser sind als anderenorts. Im Gegenteil, wir haben hier ein kulturelles und ethnisches Miteinander erlebt, dass wir bisher nicht gekannt hatten.

 

Nach dieser Schlussfolgerung haben wir uns gefragt: Woher kommt dieser Eindruck, den wir auf unserer Seite des Teichs haben?

Unsere Antwort darauf ist: Grösstenteils aus unserer Presse.

Der andere Teil liegt wohl vor allem daran, dass wir hier in den USA gespürt haben, dass die Meinungen der Menschen und diejenigen der Politik weit auseinanderklaffen.

Klar! Sagt bestimmt jeder zweite Leser; bei uns ist es nicht anders.

Nein, liebe Leute, soweit entfern sind nur die Extremisten entfernt von der Realpolitik bei uns; geben wir da zur Antwort.

Hierzulande wird eine Scheinwelt für das Volk aufgebaut, an das sehr viele Menschen nicht mehr glauben. Wahrscheinlich hat diese Scheinwelt mehr Selbstzweck als eine Realität zugrunde.

Wirklich interessantes Detail dabei ist, dass den Menschen hierzulande ein Schalter eingebaut wird. Dieser wird in der Schule, der Ausbildung und in der Gesellschaft indoktriniert.

Er heisst: Patriotismus.

Leider wird dieser Schalter allzu oft von Presse und Politik missbraucht, um Missstände oder Probleme zu übertünchen. Es wird einem eingeredet, dass wenn man dies oder jenes in Frage stellt unpatriotisch ist

Unpatriotisch zu sein ist in der US-Amerikanischen Gesellschaft stigmatisiert. Das kann soweit führen, das Oponenten, welche sich kritisch zu einem Thema äussern aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.

Es ist für uns ein schwer verständliches System. Doch wenn man es genauer Betrachtet, so werden auch bei uns Kritiker niedergeschrien – ob man dabei die Chance für eine Veränderung wahrnimmt, wage ich zu bezweifeln.

 

Interessant ist es jedoch die Kritiker diesseits und jenseits des Atlantiks zu vergleichen. In der Presse wird die andere Seite subtil verteufelt und mit Dominanz assoziiert – das wird jedoch nie so offen ausgesprochen. Gleichzeitig sprechen beide Seiten vom Niedergang der eigenen Wirtschaft, Kultur und Identität.

Offen wird dem jeweils anderen die nötige Dynamik und das Innovationspotential zugesprochen, welche nötig ist um die Zukunft zu meistern. Uns scheint, dass die Balance zwischen USA und Europa ein gegenseitiges Idealisierung und Verteufeln zugleich ist. Dabei steht der eine dem anderen in nichts nach.


Wir jedenfalls freuen uns über das sonnige Wetter und die Bewegung, die Stadt und die Sehenswürdigkeiten. Washington wurde im ausgehenden 18. Jahrhundert auf dem Skizzierbrett geplant. Der Distrikt von Columbia wurde als auf dem Spitz stehendes Quadrat aus den Staaten Virginia und Maryland genommen. Der Distrikt beherbergt Washington DC (Dominion Capital). Herzstück der neuen Hauptstadt ist das Capitol, das Parlamentsgebäude. Vor dem Capitol erstreckt sich eine rechteckige Parkanlage über 2½ Meilen bis zum Ufer des Potomac Rivers. Etwa zur Mitte des Quadrats schliesst ein kurzes Seitenstück an dessen Ende sich das Weisse Haus, der Regierungssitz des Präsidenten, befindet.

Was ursprünglich von Sumpfland und einer aufstrebenden Stadt bedeckt war, ist heute bebaut und hat einer Grossstadt mit über einer halben Million Menschen Platz gemacht.

Rund um die 2½ Meilen lange Parkanlage hat man verschiedene Museen angesiedelt. Es sind gewaltige Gebäude mit riesigen Museen zu allen möglichen Themen. Der ganze Komplex mit Park und Museen wird als National Mall bezeichnet.

Entgegen anderen amerikanischen Städten werden in Washington keine Hochhäuser gebaut. Die höchsten Gebäude sind ca. 10 Stockwerke hoch. Zusammen mit den breiten Boulevards verleiht dies der Stadt einen übersichtlichen und offenen Charakter.

 

Unser erstes Ziel unserer Besichtigungs-Woche liegt jedoch auf der anderen Seite des Flusses in Arlington. Es ist der riesige Heldenfriedhof. Ohne Plan verläuft man sich hier. 2 Stunden wandern wir durch die Gräberfelder mit ihren endlosen Reihen von Grabsteinen mit gefallenen Soldaten aus allen möglichen Konflikten.

Anschliessend spazieren wir noch über die National Mall und verschaffen uns einen ersten Eindruck über die Sehenswürdigkeiten.

Die folgenden Tage sehen meist gleich aus. Viel laufen, viel schauen. Abend fallen wir regelmässig totmüde ins Bett – jedoch nicht ohne vorher noch mit Mike und Meredith ein paar Stunden gequatscht zu haben.

 

Die Tage vergehen wie im Flug. Und dann ist plötzlich der Tag unserer Abreise da. Gepackt haben wir bereits. Da unser Flug erst am Abend geht, schlafen wir aus und vertrödeln den Tag. Irgendwie ist unsere Abreise nicht real.

Die ganzen 4 Jahre sollen nun zu Ende gehen? Hmm… komisch. Fühlt sich gar nicht so an.

Zum Glück haben wir noch einen Monat „Heimkehr“ vor uns. Es wird uns sicher helfen, wenn wir Ende April mit unserem Auto aus Hamburg in die Schweiz – ankommen zu können. Fliegen hat etwas irreales an sich. Es ist als würde man in einer riesigen Zigarrenröhre sitzen und draussen ändert jemand die Kulisse. Das Gefühl, Schritt für Schritt anzukommen, fehlt dabei völlig.

 

Doch vorerst lassen wir Iceland Air die Washingtoner Kulisse mit jener der Schweiz austauschen. Denn dort müssen wir unsere Autoversicherung und Autonummer holen, damit wir mit unserem Auto in die Schweiz zurückkehren dürfen.