Paraguay

28.05.2011

Puerto Iguazu – Hernandarias – San Estanislao – Laguna Blanca

 

Land der Gaucho und Pump-Action

Am nächsten Tag fahren wir mit gemischten Gefühlen los. Der Brasilianische Zoll ist rasch erledigt, da wir direkt nach Paraguay weiterfahren. Die Brücke vom Brasilianischen Foz Iguaçu nach Ciudad del Este ist hoffnungslos verstopft. Im letzten Moment merken wir, dass wir beinahe den Brasilianischen Zoll verpasst haben. Schnell noch einen Ausreisestempel und ab geht’s über die Brücke. Auf der paraguayanischen Seite sind die Kontrollen etwas strenger und wir werden als Europäer gleich auf die Spur für die Einreiseabfertigung gewunken. Schnell ist die Immigration gemacht und wir fragen nach der Zollabfertigung für die Fahrzeuge. Wir sind überrascht, dass wir sofort kompetente Auskunft erhalten, denn aus Reiseberichten hatten wir vernommen, dass Reisende abgewimmelt wurden und ihnen mitgeteilt wurde, dass sie keine Zollabfertigung für die Fahrzeuge machen müssten. Dies kam sie dann, den Berichten nach, bei der Ausreise teuer zu stehen.

 

Gleich hinter dem Zolltor im grossen Gebäude auf dem Hügel wurden wir im ersten Stock in ein Büro gebeten. Freundlich erklärte uns ein junger Beamter die Formalitäten und füllte für uns die Dokumente aus. Damit war der Formalitäten genüge getan wir wurden ins Land Paraguay eingelassen.

 

Soweit ist alles viel einfacher gelaufen als erwartet. Als wir dann auch noch gleich einen Bancomaten finden und uns mit Guaranì und Dollars die Säcke gefüllt haben, sind wir vollauf erleichtert und fahren los.

 

Heute wollen wir im Refugio Biologico Tati Yupi 30km nörlich von Ciudad del Este übernachten. Wie uns beim Eingang des Refugios mitgeteilt wird, müssen wir dazu aber eine Bewilligung bei der Verwaltung einholen, welche 5km die Strasse zurück liegt. Hier empfängt uns eine freundliche Dame, die dann ein Formular mit 5 Durchschlägen ausfüllt. 3 davon erhalten wir. So fahren wir zum Refugio und geben nun bei jeder Kontrolle eine weitere Kopie der Bewilligung ab.

 

Wir sind überrascht als wir am Ende der Strasse auf einen gepflegten Camping inmitten einer schönen Anlage stossen. Dazu ist alles noch kostenlos!

 

Paraguay überrascht uns bereits am ersten Tag überaus positiv. Zwar sieht man, dass Paraguay viel ärmer ist als die bisher bereisten Länder, auch vermitteln die überall postierten, schwer bewaffneten Wächter, dass Kriminalität Realität ist, doch die Menschen sind bisher alle sehr zuvorkommend, freundlich und hilfsbereit gewesen.

 

Vorsorglich haben wir um eine Bewilligung für 2 Tage gebeten und so entscheiden wir uns am nächsten Morgen den schönen Park noch einen Tag lang zu geniessen.

Christoph und Paddy nutzen den Tag um die Fahrzeuge zu schmieren und kleinere technische Probleme zu beheben. Petra und Kristel stürzen sich auf die hilflosen Insekten und überschütten sie mit einem Blitzlicht-Gewitter.

 

Gegen Abend kommen wir in die Nähe von San Estanislao. Einer ehemaligen Jesuiten Reduktion, die heute eine ansehnliche Kleinstadt bildet. Wir machen uns auf die Suche nach einem geeigneten Standort für die Nacht. Als wir nichts finden, machen wir uns auf die Suche nach der Polizei oder dem Gemeindehaus, finden jedoch nur das örtliche Museum. Die Wächterin meint wir könnten doch überall parkieren und übernachten. Sie sagt dies mit einer Selbstverständlichkeit, die uns an der paraguayischen Kriminalität zweifeln lässt. Als dann noch der Gemeindeschreiber vorbeikommt und meint wir sollen doch gleich auf dem Platz zwischen dem Museum und dem (neuen!) Gemeindehaus übernachten, sind wir erleichtert. Wie uns der Gemeindeschreiber versichert, müssen wir uns keine Sorge um unsere Sicherheit machen. Die ganze Nacht über würde ein bewaffneter Wächter für unsere Sicherheit sorgen. 

 

Staatsbesuch

Nach einer ruhigen Nacht hinter dem Gemeindehaus sind wir wieder eingeladen bei unseren Freunden im Camper zu Frühstücken. Hinter dem Auto stehen schon die Gemeindearbeiter, die darauf warten, dass wir wegfahren und sie zu ihren Baumaschinen gelangen können. Zum Glück gibt’s Mate Tee, der sie warm hält. Nach einer Stunde trauen sie sich dann an die Tür zu klopfen und uns zu fragen, ob wir wohl ein Stück zur Seite fahren könnten.

Kaum aus dem Auto stehen zwei Männer vor uns. Der eine ist der Schwager des Nachtwächters. Woher kommt ihr? Was macht ihr? Viele Fragen. Und dann plötzlich… strecken sie Paddy und Christoph ein Mikrophon vor’s Gesicht: Life-Reportage für die beiden lokalen Radiostationen – und das in spanisch. Uff!

Dann kommt noch ein älterer Herr dazu, wie wir später herausfinden der Chef der Verkehrspolizei. Doch als erstes organisiert er uns Informationen, denn er hat mitbekommen, dass uns in Paraguay Informationen fehlen. So kreuzt er bald mit einem Faltblatt auf, dass er uns gleich im Stapel überreicht - es scheint, dass es bei Informationen um die Menge der geschriebenen Wörter geht…

 

Gleich nach dem Interview entführt uns der Polizeichef – ähh, sorry Chef der Verkehrspolizei; es ist ein grosser Unterschied, werden wir belehrt – in’s nagleneue Gemeindehaus. Erst ein Jahr ist es alt. Alle Büros werden uns gezeigt, alle Sitzungszimmer, alle Computer und am Schluss werden wir noch dem Bürgermeister vorgeführt, ein Herr in voller Leibesfülle in legerer Kleidung. In der einen Hand den Telefonhörer, weisst er uns mit einer Handbewegung Platz zu nehmen. Feierlich legt er den Telefonhörer auf – es war wohl ein wichtiges Gespräch – dann sind wir dran. Nach einer weile des Wohers und Wohins, gibt’s noch eine Geschichtslektion. Nicht schlecht staunen wir, als wir erfahren, dass die Sprache der Indianer, der Guaranì zweite offizielle Landessprache in Paraguay ist und 95% der Paraguayos Guaranì sprechen und zwar fliessend und im täglichen Gebrauch!

 

Anschliessend führt uns der Chef der Verkehrspolizei noch ins Museum und ins Pfarrhaus. Jetzt wird noch der Pfarr-Sekretär mobilisiert, damit uns dieser eine Führung durch die Kirche gibt. Übrigens eine Jesuitenkirche, denn San Estanislao war ebenfalls eine Reduccion wie die Jesuiten-Missionen in Argentinien – also eine Mission wo die Guaranì zwar zum Christentum bekehrt wurden, doch wo sie auch vor Übergriffen von Sklavenhändlern und Mördern beschützt wurden und in der Wahrung ihrer Kultur und Traditionen von den Jesuiten aktiv unterstützt wurden.

Als dann der Pfarrsekretär noch die 200jährigen Taufregister aus dem Schrank zieht und sie uns feierlich zeigt – es sind dier ältesten Dokumente in ganz Paraguay – wird es uns langsam etwas zuviel; wie kommen wir aus dieser intensiven Führsorge wieder heraus!

Zum Glück haben wir noch unsere Souvenirs mit. So zücken wir eines der Souvenirs und überreichen es feierlich dem Chef der Verkehrspolizei als Dank für seine Bemühungen. Diese Gastfreundschaft ist wirklich überwältigend.

 

Brückenabenteuer

Im Faltblatt, welches wir vom Polizeichef überreicht bekommen haben, finden wir schöne Photos eines Sees weiter im Norden. Laguna Blanca heisst er. Das wär’s, da fahren wir hin! So machen wir uns auf den Weg. Die Strasse ist gut und nach 2 Stunden stehen wir an der unscheinbaren Abzweigung, ohne Hinweistafel, ohne Markierung. Ohne GPS oder vielem fragen kaum zu finden.

 

26km liegen vor uns. 26km unasphaltierte Strasse. Die Strecke ist zwar etwas holprig und mit sandigen Passagen versetzt, doch wir kommen gut voran. Halt, falsche Richtung – das GPS zeigt den Weg nach rechts – zurücksetzen, weiter.

Wie sich später herausstellt, wären wir besser falsch gefahren, denn das wäre richtiger gewesen…

So fahren wir jetzt die rechte Abzweigung, die immer sandiger wird. Dann kommt eine Brücke, eine Holzbrücke. Mit dicken Baumstämmen als Gerüst, dann längs 3-4 Stämme drauf und mit dünneren Stämmen und Bretter quer belegt, darüber nochmals Bretter auf den beiden Fahrstreifen. Die erste Brücke ist gut und wir fahren drauflos, die zweite Brücke ist schon etwas bedenklicher und wir steigen aus, um die Bretter der Fahrspur entsprechend der Spurbreite unserer Fahrzeuge zurechtzulegen. Dann kommt die dritte Brücke! Die querglegten Stämme und Bretter sind weitgehend verschwunden, so dass die längs darüber liegenden Bretter der Fahrspur zum Teil frei über dem Wasser hängen. Unser Auto wiegt rund 3,5 Tonnen, das unserer Österreichischen Freunde 4,2 Tonnen. Diese Gewichte werden diese Bretter wohl nicht aushalten.

So machen wir uns daran, die bestehende Bretterkonstruktion umzuorganisieren, so dass wir einen Unterbau für unsere Fahrspur-Bretter haben. Verstärken tun wir das ganze noch mit unseren Sandblechen. Dann versucht es Paddy mit unserem Auto als erster. Petra wird ganz blass und auch Christoph der auf der linken Seite des Fahrzeuges steht, schluckt vernehmlich, als er sieht, wie es die Bretter durchbiegt.

Da will er mit ihrem Auto so nicht drüber, meint er. Also stapeln wir die Bretter nochmals um, bis auch er sich wohl fühlt und die Überfahrt wagt.

Mitten drin, das eine Hinterrad steht auf einem der Sandbleche, hält der Unterbau nicht was er verspricht und das Sandblech biegt es um bestimmt 20cm durch. Paddy wird blass.

„Fahr, fahr, schnell, schnell!“, ruft Paddy Christoph zu.

Uff, es ist knapp. Etwas langsamer und das Auto wäre wohl eingebrochen. Alle sind wir sichtlich erleichtert, dass wir durch sind; aber auch nervös, denn morgen müssen wir wieder zurück.

Da kommt uns ein Vermessungsfahrzeug entgegen. Etwas verständnislos schüttelt er den Kopf, als wir ihn fragen, ob noch weitere solche Brücken kommen. Einerseits scheint er unser Problem nicht zu verstehen, denn die Brücke scheint im OK. Andererseits versteht er nicht, dass wir diese Strasse genommen haben, wenn wir schon so verzagt sind, gibt es doch die linke Abzweigung, die genau zum gleichen Ort führt. Sagt‘s, und er fährt weiter; ruck zuck fährt er mit seinem schweren Allrad über die Brücke. So hätten wir es wohl auch machen sollen…

 

Etwas weiter gelangen wir zur Kreuzung an der sich die linke Abzweigung wieder mit unserer Strasse vereint – hätten wir das gewusst…

Noch ein Stück weiter geht’s dann von der Piste weg auf einen zweispurigen Pfad, durch die Maisfelder in einen Wald. Die Piste ist hier auch nicht ganz ohne und wir fahren im Slalom um die tiefen Schlammlöcher.

Überall um uns schwirren die Schmetterlinge es ist unglaublich schön. Wären da nicht auch noch die Mücken und Sandflies, die sich auf uns stürzen, wäre es wie im Paradies.

Etwas später erreichen wir die Laguna Blanca.

Ganz nach Paraguayischer Art werden wir empfangen. Das heisst, Namen, Vornamen, Passnummer, woher, wohin, Autokennzeichen – da könnt ihr hin, WC/Dusche hat’s. Wo WC/Dusche/Wasser/Strom/etc. sind und wie sie funktionieren, muss man dann selbst herausfinden. Auch über die anderen Angebote, wie Fischen, Bootfahren, Reiten, etc. schweigt man sich beharrlich aus, bis man nachfragt.

 

Da es so schön ist, beschliessen wir noch einen Tag hier zu verbringen. Aber nicht etwa zum Baden und Natur angucken – nein, wir bauen unser Auto auseinander, um die Standheizung prüfen und um herauszufinden, ob und wie wir sie wieder zum Laufen bringen können. Kristel und Christoph haben sich auch entschlossen den Tag für Um- und Aufräumaktionen einzusetzen und so ist schon bald der ganze Platz übersät mit dem Inhalt unserer Autos.

Der Tag war sehr sonnig, doch unsere Heizung läuft noch immer nicht! Bei Sonnenuntergang sind wir fertig – richtig fertig. So hart arbeiten sind wir uns nicht mehr gewohnt.

 

Kristel und Christoph, zwei Gastronomen, haben sich als Gourmetköche hervorgetan und verwöhnen uns jeden Abend mit einem feinen Menü – pipifein, wie Kristel zu sagen pflegt. So werden wir auch an diesem Abend wieder verwöhnt und geniessen es fein zu essen, ohne selbst kochen zu müssen. 

 

Dann geht’s früh ins Bett und am nächsten Morgen wieder spät los. Cerro Cora National Park heisst unser nächstes Ziel. Die Strasse zurück zur asphaltierten Hauptstrasse ist – nachdem wir nun die richtige Abzweigung genommen haben – ein Kinderspiel. Sie führt uns vorbei an unzähligen Häusern und Hütten. Wie wir vermuten sind die meisten dieser Menschen Guaranì. Die Hütten, oder Ranchos wie sie auf spanisch heissen, sind zwar sehr einfach, doch alle sauber und gepflegt. Vor den Hütten wachsen Blumen und kunstvoll geschnittene Bäume inmitten von feinsäuberlich geschnittenem Rasen. Wir sind erstaunt. Die Armut ist sichtbar und spürbar, doch im Gegensatz zu Uruguay sehen wir hier keine Favelas, sondern Menschen mit Stolz und Würde die sich zu fein sind trotz Armut im Dreck zu leben – wir sind beeindruckt!

 

Die Fahrt zum Nationalpark führt uns weiter durch eine durchwegs tropische Landschaft. Üppig wachsen die Pflanzen, Wälder wechseln sich mit Palmenversetzten Feldern ab. Dazwischen allgegenwärtig Kühe und Ranchos.

Wenige Kilometer vor dem Park fahren wir durch ein Gebiet mit unzähligen bizarren Bergen. Wohl Überbleibsel von Vulkanen. Die ehemaligen Vulkanschlote stehen wie Säulen und viereckige Klötze in der Landschaft.

 

Der Nationalpark bietet vor allem für Patrioten etwas. In Cerro Cora wurde die entscheidende Schlacht zwischen Paraguay und der Dreierallianz Brasilien, Argentinien, Uruguay geschlagen. Damals, um 1870, verlor die Grossmacht Paraguay über die Hälfte der Territorien. Die 8-stündige Wanderung zum Aussichtspunkt schenken wir uns und beenden dafür den Tag mit einem feinen Menü. 

 


Daumen hoch

In ganz Südamerika sind wir bisher der Geste der Faust mit dem hochgestreckten Daumen als „OK“, „alles klar“ Zeichen begegnet. Auch bei uns kennt man das Handzeichen, doch wird es nicht so oft eingesetzt wie hier in Südamerika.


Paraguay hat dieses Handzeichen jedoch zu einer universalen Geste kultiviert. Alles, wirklich alles wird mit dem erhobenen Daumen angedeutet: „Geht’s gut?“, „Hallo“, „Guten Morgen“, „Dein Auto gefällt mir“ – einfach alles. Begegnet man hier Menschen, streckt man am besten den Daumen hoch – es schadet bestimmt nicht und wird als positive Geste angesehen.


Neuer Tag neue Fahrt. Überall vernimmt man, dass die Strassen in Paraguay in einem sehr schlechten Zustand sind. Bisher können wir uns überhaupt nicht beklagen. Die Strassen sind fast durchgehend in einem perfekten Zustand. Zügig kommen wir voran. Das erste Ziel heisst Conception. Doch statt einzukaufen, drehen wir gleich bei der Einfahrt in die Stadt wieder um; heute ist 1. Juni, ein Feiertag und alles ist geschlossen.

Nun heisst es durchbeissen. Es sind noch 160km bis zur Trans-Chaco -Route die von Asuncion nach Norden führt.

Gleich hinter der Stadt erwartet uns eine Überraschung: schlechte Strassen – ach was, schlechte Strassen ist nur der Vornamen. Unasphaltiert würde man schneller voran kommen. Durch den kaputten Asphaltbelag sind die Schlaglöcher tiefer und schlechter zu erkennen. Es ist ein permanentes Slalomfahren. Erst 50km vor der Einmündung in den Trans-Chaco ist die Strasse neu geteert und wir kommen schneller voran.

 

Dass Paraguay ein gefährliches Land sein muss, haben wir bereits bei der Einreise gemerkt. Hier rennt jeder und jede mit einer Pistole oder einem Gewehr, vorzüglich einer Pumpaction, herum. An jeder Tankstelle, in jedem Supermarkt steht eine Wache mit einer Pumpaction. Nicht zuletzt deshalb sind wir sehr vorsichtig bei der Wahl unserer Übernachtungspunkte. Als einen der wenigen, möglichen Punkte haben wir uns Pozo Colorado direkt bei der Einmündung in die Trans-Chaco herausgesucht. Hier soll’s einen Truckstopp geben, wo man sich zwischen Lastwagen parken und übernachten könnte. Doch uns ist die Gegend nicht geheuer und wir fahren weiter in den Sonnenuntergang.

Es ist bereits 16.00 Uhr und uns wird die Zeit knapp. Um 17.15 Uhr ist bereits Sonnenuntergang und um 18.00 Uhr ist es finster – stockfinster.


Zum Glück hat Kristel noch einen Übernachtungspunkt von anderen Reisenden aus dem Internet herunter geladen. 30km weiter ist ein weiterer Truckstopp.

Im letzten Tageslicht rollen wir bei der Tankstelle ein. Wie sich herausgestellt hat, ist die Trans-Chaco-Strecke fast so schlecht beisammen wie die nach Conception.

 

Aus Argentinien sind wir uns gewohnt, dass die Truckstopps meist hinter dem Haus einen Parkplatz für die Lkws haben. Hier scheint es anders, nirgends ein Platz wo wir uns ungesehen von der Hauptstrasse aufstellen können. Als wir nachfragen und nach einem etwas diskreterem Stellplatz fragen, ruft der Angestellte hilfsbereit seinen Chef an und wir werden kurzhand hinter dem Rancho parkiert, welches gleich neben der Tankstelle steht. Perfekt versteckt, mit Licht und sogar einem gedeckten Sitzplatz – und dazu noch alles kostenlos.

 

Man spricht deutsch

Der neue Tag beschert uns eine Überraschung. Wir fahren in Filadelfia ein. Filadelfia ist der Hauptort der Mennonitensiedlung Fernheim. Insgesamt gibt es 3 Mennonitensiedlungen in der Region, jede besteht aus einer Vielzahl von Dörfern und Siedlungen. Wir wissen, dass in den Mennonitensiedlungen deutsch gesprochen wird, doch sind wir dann schon überrascht, dass wir im Supermarkt auch noch deutsch angesprochen werden von den Indo-Damen an der Kasse.


Apropos Supermarkt. Hier gibt es alles was es in Deutschland auch gibt. Leberwurst, Quark, Schokolade, jede Variante von (frischem) Gemüse, Würste so weit das Auge reicht – uns läuft das Wasser im Mund zusammen und wir kaufen ein – zu viel kaufen wir ein…

 

Gleich bei unserer Ankunft haben wir beim Museum halt gemacht. Herr Bossmann hat uns freundlich begrüsst, natürlich auf deutsch. Leider würde er gleich zusperren, denn es ist Mittagspause, doch weil wir von so weit herkommen, würde er ausnahmsweise am Nachmittag nochmals aufmachen. So verabreden wir uns mit ihm für 14.00 Uhr für eine persönliche Führung.

 

In der Zwischenzeit kümmern wir uns um eine Übernachtungsmöglichkeit für uns. Das Hotel Florida gleich über die Strasse vom Museum ist unsere erste Anlaufstelle.

 

Als wir um 14.00 Uhr in den Park neben dem Museum marschieren, kommt uns Herr Bossmann bereits entgegen. „Europäische Pünktlichkeit“ meint er und strahlt über beide Backen. Dann führt er uns durch sein Museum.

Ein Teil enthält eine umfangreiche Sammlung an ausgestopfen Tieren des Chaco. Schade, dass die Tiere tot sind, doch interessant ist es schon zu sehen welche Tiere hier so leben. Vor allem Vögel sind es unglaublich viel. Dazu eine Vielzahl von Säugetieren. Vom Nandu über Tapiere, Jaguar und Pumas, Gürteltiere, Ameisenbären und, und, und.

Dann geht’s ins Heimatmuseum. Viele Artefakte der um 1932 eingewanderten Mennoniten werden hier ausgestellt. Es ist kurios und interessant. Viele dieser Gegenstände haben wir zu Hause zum Teil noch im Gebrauch, hier stehen sie als Geschichte im Museum.

Von Herrn Bossman erfahren wir dann auch die Geschichte der Mennoniten. 

 


Die Mennoniten

Die Glaubensgemeinschaft basiert auf der Wiedertäuferbewegung des 16. Jahrhunderts, welche vor allem in der Schweiz ihren Ursprung hatte. Die Wiedertäufer wurden lange Zeit verfolgt und immer wieder vertrieben. Erst ein konvertierter katholischer Priester aus den Niederlande einigte die Bewegung. Sein Name war Menno Simon. Nach ihm nennen sich die Mennoniten heute.


Nach weiteren Vertreibungen zogen viele Mennoniten nach Norddeutschland und vor allem auch nach Russland. Alle Mennonitengemeinschaften hatten gemeinsam, dass sie die Deutsche Sprache pflegten und sich nebst anderen Glaubensgrundsätzen vor allem zur Gewaltlosigkeit bekennen, somit auch keinen Militärdienst leisten. Damit wiederum handelten sie sich weitere Schwierigkeiten ein.

 

Eine grosse Migrationswelle erfolgte in die beiden Amerikas, hier vor allem nach Kanada, Mexiko und Paraguay. Paraguay im Speziellen lud die Mennoniten ein den Chaco urbar zu machen und gewährte ihnen im Gegenzug weitgehende Autonomie, Selbstverwaltung und Freistellung vom Militärdienst.

 

Eine grosse Auswanderungswelle der Mennoniten ergab sich nach der Kommunistischen Revolution in Russland, wo sie, weil sie durch ihre Arbeit zu Wohlstand gelangt waren, verfolgt wurden. Viele flüchten in Richtung Deutschland und von dort weiter nach Südamerika. Andere, die weiter in Sibirien lebten, flüchteten im Winter über den gefrorenen Amur Fluss nach China, wo sie nach einem Jahr mit Hilfe von amerikanischen Mennoniten nach Marseille verschiffen konnten, dann weiter nach Le Havre fuhren und von dort die weitere Seereise nach Südamerika in Angriff nahmen. Bereits hier wurden die Familien in Gruppen nach den künftigen Siedlungen eingeteilt.

 

Es ist sehr interessant zu sehen wie diese Menschen sich dieser Herausforderung gestellt haben. Mitten in ein Niemandsland zu ziehen, wo es kein Wasser gibt, keine Strassen, keine Infrastruktur, nichts. Sie mussten sich mit Macheten den Weg zu ihren Siedlungsplätzen freischlagen.

Wenn man heute sieht, was sie geschafft haben kann man nur Hochachtung empfinden. Es ist

unglaublich was Menschen erreichen können, wenn sie bereits sind zusammen zu stehen und zusammen zu arbeiten. Entsprechend heisst auch das Motto der Kolonie Fernheim „Gemeinnutz vor Eigennutz“.

 


Nach einem gemütlichen Abendessen auf dem Parkplatz des Hotels geht’s in die Betten, wir wollen fit sein für den schlimmsten Abschnitt des Trans-Chaco. So schlafen wir dann auch ordentlich aus und fahren am Mittag weiter.

 

30km weiter in Mariscal Esticarribia, noch 300km vor der Grenze machen wir unsere Migrationsabfertigung – bekommen den Ausreisestempel in den Pass.

 

Farmleben

Wir sind überrascht als wir die Strasse als nicht wirklich schlecht vorfinden. Klar es hat immer wieder Schlaglöcher, doch im Allgemeinen können wir mit 80 km/h fahren.

Leider haben wir die Strecke dann aber doch zu früh gelobt. Nach 30 km wird sie immer schlechter bis schlussendlich nicht die sandigen Schlaglöcher im Asphalt stören, sondern die asphaltierten Flecken im Sand. Ständig kurven wir von einer Seite der Strasse auf die andere beim Versuch eine möglichst fahrzeugschonende Passage zu finden. Dennoch die Schläge sind hart und wir kommen mit weniger als 20 km/h voran. Irgendwann einmal - wir haben das Zeitgefühl völlig verloren – fahren wir bei einer Estancia vorbei. Da merken wir wie müde wir schon sind. Beim Blick auf unsere Uhren merken wir auch, dass wir die weiteren 50km bis La Patria heute nicht mehr schaffen.

Der Estanciero schaut unserem Tun von der Veranda aus zu. Der will uns bestimmt einladen, denken wir. Also gehen wir hin und fragen, ob wir wohl bei ihm hinter dem Haus parkieren dürfen. Ramon, so heisst der Farmer, ist mehr als nur erfreut über unseren Besuch. Komplett aus dem Häuschen winkt er uns auf den Platz – und dann prasselt es Fragen über Fragen.

Als wir ihn dann auch noch zum Abendessen einladen – wir haben feine Würste aus Filadelphia mitgebracht – ist die Freundschaft besiegelt und wenig später sitzen wir auf der Veranda mit Würsten, Salat nach Deutscher Art und Arroz con carne nach Paraguayischer Art. Anschliessend werden die beiden Fahrzeuge eingehend inspiziert und wir müssen alles vorführen.

Beim Bier auf der Veranda gesellen sich auch einzelne Gauchos zu uns und bald ist ein lautstarkes Gespräch im Gange, das Bier trägt nach diesem langen, anstrengenden Tag das seinige dazu bei.

 

Am nächsten Morgen ist man auf der Estancia schon früh zu Werke. Die Kühe werden auf Lastwagen verladen und zu einer 50km entfernten Farm gebracht. Auf der Estancia Mosil hat es nicht mehr genug Futter. Letztes Jahr seien über 300 Stück Vieh verhungert erzählt uns Ramon. Das sei ein herber Rückschlag gewesen. Aber zum Glück hätte seine Frau noch die Tankstelle in Brasilien und er noch ein paar Wohnhäuser in Asuncion – schlecht scheint es Ramon ja nicht zu gehen.

 

Etwas traurig verlassen wir die Estancia Mosil. In wenigen Stunden haben wir eine Freundschaft geschlossen mit einem sehr netten und weltoffenen Mann. Zum Abschied meint Ramon dann noch, dass wir doch unbedingt andere Reisende zu ihm schicken sollen. Er würde sich sehr freuen, denn auf der Estancia sei es sehr einsam.

 

Unsere Fahrt führt entlang der Trans-Chaco-Piste, mehr ist es nicht mehr, weiter. Kurz vor La Patria wird die Strasse dann wieder besser und wir biegen nach Westen in Richtung Bolivien ab. 100km weiter stehen wir schlussendlich am Schlagbaum – besser gesagt am Erdwall. Als wir schlussendlich die beiden Zöllner, den Paraguayischen in der Hängematte und den Bolivianischen mit vollem Mund beim Mittagessen gestört haben, haben wir die Erlaubnis weiterzufahren.