Kanada - Osten

Toronto

02.10.2013 - 19.10.2013

Niagara - Toronto - Le Canton - Quebec - Gaspésie - St. John

 

Die Stadt begrüsst uns mit viel Sonne. Zum Glück finden wir einen Campingplatz etwas ausserhalb. Von hier können wir mit dem Auto zu einer Shopping Mall und von dort mit der Metro ins Zentrum fahren.

Toronto ist ein Moloch mit 5,5 Millionen Einwohnern. Downtown gleich einem Gewirr aus Wolkenkratzern in denen man sich schnell verlaufen kann, denn es fehlt der Blick zum Himmel, um sich an der Sonne zu orientieren. Zugegeben, die Stadt ist abwechslungsreich und hat viele Grünflächen. Auch finden wir im Kensington Quartier eine alternative Szene, welche interessant und unterhaltsam ist.

Was uns sehr interessiert ist das Bixi-Bycicle-System der Stadt. Überall in der Stadt kann man mit Kreditkarte ein Fahrrad aus einer Station ausleihen. 5 CAD kostet es pro Tag und wenn man das Rad pro Fahrt nicht länger als eine halbe Stunde nutzt, kommen keine weiteren Kosten dazu. Das System ist also nicht auf Fahrradverleih ausgerichtet, sondern auf eine Nutzung der Fahrräder als Kurzstreckentransportmittel in der Stadt. Wir machen regen Gebrauch davon und sind fasziniert, wie sich die Fahrten ideal mit Tram und Metro verbinden lassen. Ein tolles System, welches sich für viele Städte vor allem in Europa eigenen würde.

 

Nach zwei Tagen Toronto haben wir uns sattgesehen und wollen weg. Geplant wäre direkt nach Montreal weiter zu fahren, doch uns fehlt die Motivation. Wir wollen nicht gleich wieder in eine Stadt. „Mut zur Lücke“ heisst schliesslich unser Motto. So beschliessen wir, Montreal links liegen zu lassen und über den St. Lorenz Strom in die Cantons de l’Est zu fahren.

 

Zunächst geht die Fahrt aber am grossen Strom entlang. Hier in der nordöstlichen Ecke Ontarios, ist der Strom von unzähligen Inseln gespickt. Viele dieser Eilande sind kaum grösser als ein grosser Stein. Was Menschen aber nicht davon abhält darauf ihre Häuser zu bauen. Wir sehen Häuser auf Inseln, bei denen das Fundament sich genau mit dem Ausmass der Insel deckt und der erste Stock des Hauses dann ausladend über das Wasser hinaus gebaut ist. Es ist ein eigentümlicher Anblick wie Häuser auf den Felsen balancieren. Selbstverständlich hat es auch einige grössere Inseln, doch die meisten sind klein und kahl.


Echt Kanadische Kaffee-Tradition

Seit wir Michel, den Schweizer mit Pinzgauer, in Banff getroffen haben, sind wir uns über eine urkanadische Institution bewusst geworden: Tim Hortons.

Es ist eine Kaffeehauskette, die in den 60iger Jahren von einem Eishockey-Spieler gegründet wurde. Die Fastfood-Kaffeehäuser sind überall, wirklich überall in Kanada zu finden. Im Angebot sind selbstverständlich Kaffee in den beiden Varianten "Normal" und "Expresso". Als "normal coffee" wird landläufig Filter-Kaffee bezeichnet. Daneben gibt es aber auch Kaffee aus richtigen Kolbenkaffeemaschinen. Dieser Kaffee - unabhängig von der Grösse der Tasse oder der Beigaben - wird als "Espresso" bezeichnet. Für einen Europäer wohl etwas irritierend. Espresso gibt es dann selbstverständlich als Espresso, Capuccino, Latte, Americano, etc. Weitere wichtige Faktoren ist bei der Kaffeezubreitung der Geschmacksirup der beigefügt wird. Sagt man nichts, ist es oft üblich, dass Vanillesirup beigefügt wird. Die Sirups gibt es aber in allen erdenklichen Geschmacksrichtungen, angefangen mit Vanille, Erbeer, Haselnuss bis hin zu Pfefferminze.

Bei Tim Hortons gibt es dazu Bagels (kringelartige Brötchen) in allen Variationen und Aromasorten sowie Süssgebäck und belegte Brötchen.

Das ganze ist in eine Aufmachung wie McDonalds verpackt, komplett mit Drive-Through und Wifi. Also der ideale Ort für unsere tägliche Kaffeepause auf den langen Fahrten.


Wieder einmal halten wir auch an diesem Tag bei Tim Horton in Picton auf der Flussinsel des Prince Edward County’s. Geplant ist nur ein kurzer Halt um die Mittagszeit. Dann wollen wir mit der Fähre weiter auf’s Festland.

Als wir uns hinsetzen, werden wir, wie so oft, von zwei älteren Herren am Nachbartisch angesprochen. Ob wir wirklich aus Luzern kommen, werden wir gefragt. Als wir bejahen, stellen sich die Herren als Tom und Peter vor. Peter fügt gleich hinzu, dass er in der Schweiz geboren sei, jedoch schon seit fast 50 Jahren in Kanada lebe. Es ist ein interessantes Gespräch mit den beiden Herren und am Schluss meint Peter, dass wir gerne bei ihm Übernachten dürften. Da unser Aufenthalt bei Timmies nun schon etwas länger gedauert hat und wir auf unser Budget achten müssen, sagen wir gerne zu. Bald sind wir bei Peter auf seiner Farm. Ein schönes Anwesen mit Seeanstoss, eigener Insel und einer kleinen Flugpiste!

Witzigerweise heisst Peters Frau Patricia und so sitzen nun Peter, Patricia, Petra und Patrick am gleichen Tisch. Klar sind die beiden an unserer Reise interessiert und als wir einige Bilder zeigen, kommt auch schon bald ihr Sohn aus dem nahegelegenen Dorf.

Es wird ein interessanter Abend und wir erfahren viel über den umtriebigen Geschäftsmann Peter, über die harte Arbeit seines Sohnes Chris im hohen Norden Kanadas und über das Leben in Kanada im Allgemeinen.

Am nächsten Morgen ist die Strasse vor dem Haus gesperrt. Es findet ein Marathon statt. Bis zum Haus von Chris schaffen wir es noch, dann ist fertig. So verbringen wir den ersten Teil des Vormittags mit Kaffee, Croissants und Zuschauen wie sich andere Menschen hoppelnd über den Asphalt quälen…brrr!

Dann verabschieden wir uns von unserer spontanen Bekanntschaft und düsen weiter.

La Grande Nation Quebecoise

Kurz vor der Überquerung des grossen St. Lorenz Stroms, überqueren wir auch die Provinz und somit auch die Sprachgrenze. Wir sind in Québec und hier wird Französisch gesprochen – sagt man. Denn bereits beim ersten Kontakt versagen unsere Französisch Kenntnisse jämmerlich. Was wir als Französisch serviert bekommen ist für uns gleich verständlich wie Chinesisch. Das Québecois ist so speziell, dass wir nur jedes 5 oder 6 Wort verstehen. Den Inhalt des Gesagten müssen wir erahnen. Es ist frustrierend, wenn man glaubt, dass man sich mit Leuten unterhalten könnte und dann merkt, dass der Dialekt so unverständlich ist, dass man es lieber sein lässt.

So reisen wir nun stumm in die liebliche Landschaft von „Les Cantons“ und erfreuen uns an den farbigen Wäldern und hübschen Häuschen.

Ein Abstecher zu einer Abtei beschert uns feinen Käse und Salamiwurst, kurz darauf finden wir dann auch noch einen Wein aus der Region. Somit ist auch unser Abendessen schon gesetzt.

Als wir schliesslich auch noch einen Unterschlupf im Frontenac Nationalpark finden scheint alles bestens zu sein. Doch der Schein trügt. Wir sitzen erst kurz beim Essen als der Wind sich zu sturmartigen Böen verstärkt. Und wir schaffen es kaum den Tisch abzuräumen und alles ins Auto zu schaffen als uns schon der erste Regen in Form einer Wand erreicht. Es schüttet was das Zeug hält. Zum Glück stehen wir etwas geschützt zwischen den Bäumen.

Nach all den vielen Monaten heiteren Sonnenscheins, sieht es so aus, als ob nun alles an einem Abend nachgeholt werden muss. Überhaupt spürt man, dass der Winter naht. Immer wieder hatten wir in den letzten beiden Wochen Regenschauer, speziell nachts. Auch sind die Temperaturen sind merklich kühler geworden und die Blätter der Bäume haben angefangen sich zu verfärben. Wie wir uns sagen liessen, braucht es aber einen Frosttag, damit der Indian Sommer richtig losgeht. Irgendwie freuen wir uns darauf, aber irgendwie graut uns auch davor, denn unsere Standheizung funktioniert nach wie vor nur noch sporadisch.

Leider bereitet uns seit einigen Wochen auch unser Auto etwas Kopfzerbrechen. Irgendwie scheint es langsam in die Kilometer zu kommen, wo es eine Generalüberholung benötigt. Wir sind uns nicht sicher, ob es „nur“ an Kraft mangelt, weil der Auspuff irgendwo undicht ist oder ob wir ein Problem mit der Kupplung oder gar mit dem Getriebe haben. Wir hoffen jedenfalls, dass es noch einige Monate tapfer durchhält und wir es noch bis nach Hause schaffen.

La Capital de la Nation

Nein, nein, nicht falsch verstehen. Québec City ist nicht die Hauptstadt Kanadas, das ist nach wie vor Ottawa. Doch in Québec City wird die Stadt überall als Kapitol der Nation bezeichnet. Es ist interessant zwischen den Zeilen zu lesen, wie es um das Selbstverständnis der frankophonen Kanadier bestellt ist…

Wir jedenfalls geniessen die alte Stadt am St. Lorenzstrom. Endlich wieder einmal eine Stadt mit Charakter, Kanten und Ecken. Nicht eine der üblichen Amerikanischen Retortenstädte mit ihren austauschbaren Downtowns.

Québec Stadt ist bereits über 400 Jahre alt. Es ist die älteste Stadt Nordamerikas. Sie wird von einer komplett intakten Wehranlage umfasst und bietet im Zentrum ein Netz von verwinkelten und gemütlichen Gässchen.

Wir geniessen das europäische Flair der Stadt und schlendern zwei Tage durch die Innenstadt.

Da wir auch noch einen schönen und erschwinglichen Campingplatz in einem Vorort gefunden haben, beschliessen wir den lang ersehnten Ruhetag einzulegen. Endlich wieder einmal ausschlafen. Endlich mal wieder Zeit haben Reisebericht zu schreiben, Bettwäsche zu flicken, Auto sauber zu machen, Wäsche zu waschen – halt einfach ausspannen…

Canada Maritime

Wieder frisch und ausgeschlafen machen wir uns auf die Socken. Wir wollen der Nordküste des St-Lorenz-Stroms folgen und dann später mit der Fähre auf das Südufer zu wechseln.

Die vorbeiziehende Landschaft ist schon spätherbstlich und der Indian-Summer nähert sich bereits dem Ende. Die Luft ist täglich um ein Grad kühler.

Auch unserem Auto scheint weiter die Motivation zu fehlen. Trotz allem Zureden ist es nicht für eine Leistungssteigerung zu gewinnen. Wir vermuten, dass die Kupplung abgenutzt ist und dass wir zumindest ein Riss oder Loch im Auspuff haben. Doch wollen wir beides nicht in Kanada reparieren lassen. Die Preise hier sind fast so hoch wie in der Schweiz. Wir versuchen zu warten bis wir in den USA sind. Bekanntlich ist im Süden alles billiger.

So kraxelt unser Auto im 2. und 3. Gang die steilen Strassen hoch und uns wird jedes Mal Angst und Bange, wie lange es noch durchhält.

In St. Simeon finden wir direkt neben dem Fähranleger einen offenen Campingplatz. Tags darauf überqueren wir auf einer Fähre den Strom nach Rivière du Loup an der Südküste.

Weiter geht die Fahrt entlang der hügeligen Küste. Die Landschaft ist wunderschön. Sie gleicht der Küste des südlichen Norwegens. Viele Felder, immer wieder Wälder, kleine Dörfer mit bunten Häusern, dazu einen fantastischen Ausblick auf den St-Lorenz-Strom, der hier bereits so breit ist, dass man die andere Seite kaum noch wahrnehmen kann. Entlang dieser Route sehen wir viele Leuchttürme, die immer wieder ein gutes Sujet für Fotos sind.

Auch die Strasse ist bemerkenswert. Sie führt schnurgerade über die Hügel. Dabei hat man ausser Acht gelassen, dass schwere Lastwagen und auch unser Auto bei den Steigungen an ihre Grenzen kommen. Die bis zu 20% (!) Steigungen lassen uns teilweise in den ersten Gang hinunter schalten. Dafür haben wir umso mehr Zeit die Landschaft zu geniessen – würde nur nicht die Sorge um unser Auto so im Bauch plagen.

Bald wird der St-Lorenz-Strom zu unserer linken vom St-Lorenz-Golf abgelöst. Gleichzeitig wird die Landschaft karger, was der Schönheit jedoch keinen Abstrich tut. Wir setzen unsere Fahrt fort bis zum Zipfel der Halbinsel in den Forillon National Park. Leider sind die Campingplätze im Park schon geschlossen und auch sonst hat man grosse Teile des Parks gesperrt. Uns bleibt nur eine kurze Wanderung und die Weiterfahrt nach Gaspé, dem Hauptort der Region. Die ganze Region nennt sich Gaspesie und gehört auch zu Québec. Entsprechend wird auch hier Französisch gesprochen.

Einen Tag später erreichen wir die Grenze zu New Brunswick und wir freuen uns bereits wieder englisch sprechen zu können als wir erfahren, dass New Brunswick bilingue ist. Somit gehen unsere französisch Bemühungen weiter. Speziell in diesen abgelegenen Gebieten ist der Dialekt besonders stark und das Verstehen sehr, sehr beschwerlich.

Hier an der Grenze treffen wir auf Mr. Bishop. Er ist ein Fahrradfahrer aus Alberta, der gerade durch halb Kanada geradelt ist. Im Winter ist er Trucker und fährt zu den abgelegenen Ölfeldern im Norden Albertas. Wir treffen ihn bei einem Kaffee und bleiben wieder einmal ein paar Stunden hängen. Es ist bereits spät als er meint, dass er einen guten Platz zum Übernachten auf der anderen Seite der Bahngeleise weiss. Kurzentschlossen folgen wir ihm. Wie sich herausstellt ist es nicht gerade ein Ort, den wir uns ausgesucht hätten, doch Mr. Bishop meint, so würde er immer übernachten. Schnell schieben wir unser Dach hoch und Mr. Bishop stellt sein Zelt auf, dann wird gekocht und später im Auto bei funktionierender Standheizung noch etwas weitergetratscht.

Nach unserer Einladung zum Abendessen lädt uns Mr. Bishop am nächsten Morgen zum Frühstück im nebenanliegenden Restaurant ein. Einige Stunden später verabschieden wir uns. Er wird den Zug zurück nach Hause nehmen, wir die Strasse weiter der Küste entlang Richtung USA.


Kanadier – oder doch Amerikaner…?!

Eine Aussage, die für rote Köpfe sorgt! Selbstverständlich unterscheiden sich die Kanadier wesentlich von den US-Amerikanern. Schliesslich möchte man in der Schweiz auch nicht für einen Deutschen oder Österreicher gehalten werden. Die Unterscheidung zwischen Kanadier und Amerikaner ist für uns Europäer wahrscheinlich gleich schwierig, wie die Unterscheidung zwischen einem Schweizer oder Deutschen für einen Amerikaner.

Was auffällt ist, dass die Kanadier zurückhaltender sind als die US-Amerikaner. Auch wirkt das Gemeinwesen sehr viel europäischer als in den USA. In vielen Aspekten spürt man den britischen Einfluss. Gleichzeitig lässt sich nicht ausblenden, dass die wirtschaftliche und politische Verflechtung mit dem südlichen Nachbarn sehr eng ist. Viele Kanadier leben und arbeiten in den USA. Genauso viele US-Amerikaner leben und arbeiten in Kanada. Entsprechend gross ist der kulturelle Austausch. In den USA gelten die Kanadier als sehr höflich aber auch als etwas hinterwäldlerisch. Ersteres können wir sowohl für Amerikaner als auch Kanadier bestätigen. Zweiteres findet man ebenfalls in beiden Ländern, gilt jedoch nicht für die Mehrheit.

Jedenfalls empfinden wir den Unterschied zwischen den beiden Nachbarn nicht grösser als jenen zwischen der Ost- und Westküste der USA.


Gezeitenspiel

Die Südostküste Kanadas ist bekannt für ihren enormen Gezeitenhub. Bis zu 16 Metern geht der Wasserstand zwischen Flut und Ebbe auf und ab. Die Gezeiten haben diesem Küstenstrich einen ganz eigenen Stempel aufgedrückt. Bei Flut werden die Küstengewässer weit ins Landesinnere hinein gestaut. Oft fliesst auch Meereswasser den Flusslauf hinauf und es bilden sich weiter Brackwasser-Zonen.

Die Ebbe entwässert dann die aufgestauten Wasserläufe und schafft eine bizarre Mondlandschaft inmitten von fruchtbaren Feldern. Ein Gewirr von Adern durchläuft die Landschaft und Felder. Manche kaum einen Meter breit, andernorts in breiten Narben. Es sind immer tiefe Einschnitte mit flachen Ufern und steilem abfallendem Wasserlauf in der Mitte. Es ist bizarr dem Wechselspiel zuzusehen, denn es geht so schnell vonstatten, dass man ihm von blossem Auge folgen kann.

 

Unseren Plan nach Nova Scotia, der grossen Halbinsel im Südosten Kanadas einen Besuch abzustatten, lassen wir sein. Die Tage werden kürzer und kälter und unser Auto bereitet uns immer mehr Bauchschmerzen. So fahren wir Richtung Süden in die USA um dort einen Mechaniker finden. Von der Garage in der Schweiz haben wir bereits alle nötigen Ersatzteilnummern für das Wechseln der Kupplung und die Zusage, dass man diese notfalls innert 2 Tagen in die USA schicken könnte. Wenn möglich, wollen wir aber die Teile in den USA organisieren. Falls das nicht geht, werden wir sie aus Europa kommen lassen.

Unser letzter Stopp in Kanada ist der Nationalpark an der Bay of Fundy. Hier beobachten wir ein letztes Mal das Naturspektakel der Gezeiten bevor wir uns auf den Weg in die USA begeben.