Kanada - Norden/Westen

Am Klondike

28.08.2013 - 21.09.2013

Dawson City - Watson Lake - Fort Nelson - Fort Liard - Yellowknife - Edmonton - Banff - Jasper - Calgary

 

Ab hier wird die Landschaft wieder etwas abwechslungsreicher und bald stehen wir an den sandigen UFERN DES Yukon River. Hier ist er schmaler als beim letzten Zusammentreffen am Dalton Highway. Eine Fähre hilft uns ans andere Ufer, wo uns Dawson City erwartet. Für jeden der sich mit Wildem Westen, Klondike, Jack London oder ähnlichem befasste, hat Dawson City einen faszinierenden Beigeschmack. So auch für uns.

 

Nach dem Goldfieber von 1898 hat die Stadt noch einige Jahrzehnte floriert, bevor sie dann in Vergessenheit versank. Erst als sie vor 20 Jahren vom Kanadischen Staat zum Nationalen Kulturerbe ernannt wurde, erlebte die nun stark geschrumpfte Stadt eine touristische Renaissance. Dazu kamen vor 10 Jahren neuerliche Goldfunde. Heute ist es eine hübsche Kleinstadt mit allen nötigen Infrastrukturen für Tourismus und Goldsuche.

Wir jedenfalls haben anderes Glück und finden zufällig Vreni und Albi, zwei Schweizer, die wir auf einem Parkplatz bei unserer Ankunft in Alaska vor fast 3 Wochen getroffen haben. Kurzerhand verabreden wir uns auf einen geführten Stadtrundgang und ein anschliessendes Bierchen, bevor wir dann in den Saloon zur Abendshow torkeln – gut so schlimm ist es dann nicht und der Saloon hat auch keine Flügeltüren mehr, die man in Wild Westmanier aufstossen könnte. Eintritt muss man auch schon mal bezahlen und man sitzt an Tischen auf Stühlen, die man nicht rumwerfen und zerschmettern darf. Dafür werden wir aber mit einer Variété-Show auf der Bühne entschädigt.

Vreni und Albi wollen unbedingt noch Nordlichter sehen. Wir hatten bereits in der Nacht davor das Vergnügen, um Mitternacht vor dem Auto zu stehen. Aber im Gegensatz zur Nach davor, als wir mitten im Wald campierten, hat es hier einen kleinen Aussichtsberg, von dem aus man freie Sicht in alle Richtungen hat.

Gespannt fahren wir hoch und gesellen uns zu den 2 Duzend asiatischen Touristen, die speziell dafür hier her gekommen sind.

Wir werden nicht enttäuscht und die Nordlichter ziehen sich eindrucksvoll über den gesamten Himmel. Dazu steigt im Osten die dünne Mondsichel auf und das Ganze wird noch mystischer. Man könnte jede Sekunde auf den Auslöser der Kamera drücken, immer wieder ändern sich die Formen am Himmel und faszinieren von neuem.

Irgendwann ist uns dann aber doch zu kalt und wir schlüpfen ins Auto. In der Stadt verabschieden wir uns von Vreni und Albi; sie haben ein Hotelzimmer, während wir auf der anderen Flussseite campieren. Da die Fähre im 24 Stunden Betrieb fährt kein Problem. Und wir schippern im Stockfinstern über den Fluss.

Tags darauf sind wir natürlich leicht verkatert und entsprechend spät machen wir uns auf den Weg zum Sightseeing rund um Dawson City. Was vor allem Paddy sehr interessiert ist die gewaltige Dredge Nummer 4. Ein schwimmendes Goldschürf-Monster. Wir schaffen es noch knapp zur letzten Besichtigungstour am Nachmittag. Dabei stossen wir wieder auf Vreni und Albi. Da die beiden Frauen nicht im gleichen Mass von der Technik fasziniert sind wie die Männer, fahren die Frauen auf einen Kaffee in die Stadt während die Männer die Dredge besichtigen.


Goldsuche im Klondike

Gold wurde im Klondike zuerst von Hand mit der Waschpfanne im kalten Wasser der Bäche, später aber mit immer raffinierteren Installationen geschürft. Das Prinzip blieb jedoch immer gleich. Man wusch mit Wasser Dreck, Steine und Sand weg und wartete darauf, dass sich das viel schwerere Gold am Grund absetzte.

Da nur ein kleiner Teil des Goldes am Grund der Bäche sitzt, grub man vielerorts Stollen in die tieferen Schichten, wo sich Bachbette prähistorischer Bachläufen befinden. Das kleine, aber nicht zu unterschätzende Problem dabei war und ist der Permafrost. Er beginnt nur wenige Handbreiten unter der Erdoberfläche und verhindert, dass man ohne weiteres an den "Paydirt" gelangt. Erst versuchte man dem Permafrost mit grossen Feuern zu Leibe zu rücken, doch dies erwies sich als sehr zerstörerisch für die umliegenden Wälder als auch sehr ineffizient, da jedes Feuer maximal 2 Handspannen Permafrost auftaute. Bei 10-20 Meter Permafrost also eine sehr zeitraubende Methode.

Erst als man mit Dampf und heissem Wasser arbeitete, ging es schneller voran. Als man entdeckte, dass auch kaltes Wasser reichte, um den Frost aufzutauen, wuchsen auch langsam die Waldbestände wieder nach.

Dennoch suchte man nach effizienteren Methoden als gefrorene Erde im Winter an die Oberfläche zu schaffen und im Sommer das aufgetaute Erdreich nach Gold zu durchsuchen. Die Antwort kam mit den Dredges.

Dies sind mehrstöckige Ungetüme, die in einem kleinen Teich schwimmen. Das Wasser im Teich dient dazu den Permafrost aufzutauen und gleichzeitig die zig-tausend Tonnen schwere Dredge zu bewegen.

Vorne an der Dredge montierte man einen langen Arm mit einer Kette aus grossen Metallschaufeln. Sie schufen den Schutt aus bis zu 25 Metern tief an die Oberfläche und ins Innere der Dredge. Dort wurde der Schutt gesiebt und der Rest weiter gewaschen und gespült. Hinten an der Dredge wurde der "gesäuberte" Schutt wieder ausgespuckt und abgelagerte. Derart bewegte sich die Dredge langsam vorwärts, pflügte Tag und Nacht den ganzen Talboden um und hinterliess eine Mondlandschaft. Wie es hiess, war der Lärm dabei so gross, dass man die Maschine selbst noch im 15 Kilometer entfernten hinter einem Berg liegenden Dawson City Tag und Nacht hörte.

Die Methode jedenfalls erwies sich als effizient. Jeden Tag schürfte man einige Pfund Gold und

amortisierte sich die Investition der Dredge Nr. 4 bereits nach 3 Monaten – inklusive Transport der Maschine aus den USA in den entlegenen Yukon!


Noch ziemlich erledigt verabschiedeten wir uns am Abend dann von Vreni und Albi. Schade müssen sie bereits in Richtung Whitehorse weiter, denn ihr Urlaub geht zu Ende. Unsere Heimreise ist zum Glück nicht so eilig und wir entschliessen uns den Umweg über den Campbell Highway zu fahren, einer Schotterstrasse die uns durch den tiefen Yukon führen wird.

Regentage

Glaubten wir bereits das Wetterglück exklusiv gepachtet zu haben, so werden wir nun eines besseren belehrt. Kaum biegen wir auf den Campell Highway ab, da setzt leichter Regen ein und als wir für das Labourday Weekend einen der begehrten Campingplätze an einen See ergattern, müssen wir uns für 3 Tage mit kaltem und nassem Wetter auseinander setzen. Erstmals wird unsere "Schlechtwetter-Strategie" getestet. Wir verbringen einen Grossteil der Tage im Auto beim Lesen und Filme schauen.

Am Sonntag, als jedermann abreist, reisen auch wir weiter. Der Regen hat die Strasse aufgeweicht und bald können wir unser Auto nicht mehr verlassen oder besteigen ohne uns von oben bis unten einzudrecken. Als sich dann auch noch ein Steinchen in der Scheibenbremse verklemmt, ist es definitiv Zeit für die "Arbeitsbekleidung". Zum Glück müssen wir den Störenfried nicht im grössten Schlamm entfernen und kommen einigermassen trocken über die Runden.

 

Nach zwei Tagen ist die Dreckschlacht bestanden und wir sind wieder auf dem Alaska Highway. Nur kurz ist unser Shopping-Stopp in Watson Lake, dann flitzen wir weiter zu den Liard Hot Springs. Nach dem nasskalten Wetter der vergangenen Tage ist es ein Wohlgenuss ins warme Wasser zu tauchen und den Permafrost aufzutauen…

Bei den Hot Springs treffen wir auf Carole. Bereits den ganzen Tag über haben sich unsere Wege auf dem Highway wiederholt gekreuzt. Die Schweizerin ist alleine mit einem Camper unterwegs. Bald sitzen wir beim Abendessen zusammen und auch am nächsten Tag verbringen wir mit quatschen, essen und trinken mit Carole. Es tut gut wieder einmal einen Tag auszuspannen.

 

Nach der kurzen Pause wartet eine wunderschöne Strecke auf uns. Wir fahren durch die nördlichen Ausläufer der Rocky Mountains. Aus den endlosen Waldschluchten fahren wir hinauf in karge Bergtäler. Entlang an türkisfarbenen Seen, vorbei an weit aufragenden Felswänden; immer wieder unterbrechen Birkenhaine den Ausblick, immer wieder sehen wir Hochmoore, in denen wir Elche zu erspähen hoffen. Es ist eine sehr kurzweilige Fahrt und so verfliegen die Stunden.

Dann erreichen wir die Abzweigung auf den Liard Highway, welchen wir für unsere weiter Reise nehmen wollen, doch zuerst fahren wir 30 Kilometer weiter nach Fort Nelson. Unsere Vorräte sind langsam erschöpft und dies ist für die nächsten 1‘000 Kilometer bis Yellowknife, die letzte grössere Ortschaft.

Eine böse Überraschung erleben wir, als wir in Fort Nelson einfahren. Die Stadt ist nicht so gross wie erhofft und entsprechend spärlich ist die Auswahl an Lebensmittelgeschäften. Genauso spärlich ist dann auch die Auswahl im Laden. Nur mit den Preisen meinen sie es nicht ganz so "spärlich". Die entlegene Lage der Stadt erlaubt es für die Produkte 50% mehr zu verlangen als im viel weiter von der "Zivilisation" liegenden Whitehorse. Zähneknirschend kaufen wir das nötigste ein und vertagen den "Grosseinkauf" auf einen späteren Zeitpunkt.

Leider ist die Auswahl auch bei den Campingplätzen sehr beschränkt. Entweder im Hinterhof eines Motels direkt am Alaska Highway oder dann 40 Dollar für einen fast ebenso lauten Platz aber dafür optisch idyllischer unter Bäumen.

Am Morgen fahren wie die 30 Kilometer zur Abzweigung zurück und setzen unsere Reise auf dem Liard Highway fort. Fort Liard ist unser nächstes Ziel.

 

Wer sich bei den vielen Ortsnamen mit "Fort" ein Wild West Fort mit Holzpalisaden vorstellt, sei enttäuscht. Das Präfix "Fort" wurde weniger für befestigte Militärposten verwendet, als für vorgeschobene Handelsposten. Hier im Nordwesten Kanadas war es meist die Hudson Bay Company, welche ihre Handelskontore eröffnet hat, um Lebensmittel und Gebrauchsartikel gegen Felle einzutauschen. So sind die Forts meist eine lockere Ansammlung von Gebäuden, die sich meist an schiffbaren Flüssen befinden, so dass man die Waren gut transportieren konnte.

Viele dieser Forts sind auch heute noch sehr entlegene Orte, welche gerade in den Nordwest Territories immer noch keine Strassenanbindung haben. Selbstverständlich kommt heute keiner mehr mit Fellen oder mit dem Boot zu den Siedlungen. Im Normalfall werden sie heute mit Wasserflugzeugen versorgt.

 

Fort Liard ist nach 200 Kilometer Fahrt per Auto erreichbar. Es hat gerade mal 100 Einwohner und sogar einen kleinen Supermarkt, einen Polizeiposten der Mounties und eine Touristeninformation. Die meisten Einwohner sind First Nation (so nennt man die Indianer in Kanada). Wir werden von einigen der Einwohner angesprochen, meist mit einer gut riechbaren Alkoholfahne – um die Mittagszeit.

Unser Stopp ist kurz und wir versuchen noch ein schönes Stück Strecke zu bewältigen.

Nur ein kleines Steinchen

Es ist nur ein kleines Steinchen auf der Strasse, das den Tag zum Abenteuer werden lässt. Paddy, voll konzentriert auf die Schotterstrasse, übersieht den Stein – Peng, tönt es und anschliessend rattert es. Vorsichtig bringen wir das Auto zum Stillstand und schauen uns die Misere an: Plattfuss. Der Stein, halb so gross wie eine Faust, hat es geschafft einen unserer "unzerstörbaren" BFGoodrich A/T Reifen den Gar aus zu machen. Ein gut 5 cm langer Riss verläuft über die Lauffläche des Reifen. Ein nicht mehr zu reparierender Schaden. Wir wollten doch noch bis an die Ostküste mit den Reifen!

Naja, das Rad ist schnell gewechselt und weiter geht die Fahrt. Jetzt hoffen wir, dass wir nicht nochmals einen Plattfuss einhandeln. Fort Nelson ist 300 km entfernt und Yellowknife noch 700 Kilometer.

Wir finden ein nettes Plätzchen am Liard River und werden mit einem wunderschönen Sonnenuntergang belohnt. Trotz der Ungewissheit schlafen wir tief und fest und am nächsten Morgen setzen wir die Fahrt zwar vorsichtig, aber mit neuem Elan fort.

200 Kilometer später erreichen wir den Yellowknife Highway und haben wieder asphaltierte Strasse unter den Rädern. Von jetzt an geht es etwas beruhigter weiter – so ganz ohne Reserverad ist es schon ein unangenehmes Gefühl bei diesen Distanzen…

 

In Fort Providence machen wir einen Zwischenstopp und fragen mal nach, ob der Reifen überhaupt nicht mehr zu reparieren ist. Klar nicht, denn man will uns einen alten, abgelaufenen Reifen für 120 Dollar andrehen, der nicht einmal die gleiche Dimension wie unsere Räder hat. Wir lehnen dankend ab und fahren weiter.

Es sind noch 400 Kilometer bis Yellowknife und es ist bereits Nachmittag. Petra übernimmt das Steuer und beschliesst, dass wir noch vor dem Abend in Yellowknife sein wollen.

Es ist eine lange und langweilige Fahrt. Zwar ändert sich die Landschaft einige Male, doch unter dem Strich sind es immer wieder 100 Kilometer die gleiche Kulisse. Einmal endloser Wald, dann Moorlandschaften, dann eine unwirkliche Landschaft mit flachen Granitbuckeln zwischen denen sich kleine und kleinste Seen gebildet haben und mit Büschen und Birken umrahmt sind.

Die Nacht kündigt sich bereits an als wir in Yellowknife ankommen. Wir sind beide totmüde, suchen uns einen Campingplatz und legen uns schlafen.

Es ist wieder einmal Paddy, der um Mitternacht kurz vor das Auto muss und der die Nordlichter entdeckt. Der Grund für den nächtlichen Ausflug ist vergessen. Kurz darauf krabbelt auch Petra in die kalte Nacht hinaus.

Es bietet sich ein fantastisches Spektakel am Himmel. Vom westlichen bis zum östlichen Horizont ziehen sich drei breite Bahnen parallel über den Zenit. Im Osten verwirbeln sie sich und ziehen bis weit zum Horizont im Norden. Immer wieder bilden sich neue Linien am Himmel. Wir sind beide komplett durchgefroren, aber immer noch fasziniert, als wir eine Stunde später wieder unter die Decken kriechen.

Stadt der gelben Messer

Yellowknife ist eine sehr junge Stadt. Sie wurde erst 1934 gegründet als auch in dieser Gegend Gold gefunden wurde. Den Namen erhielt die Stadt weil die Indianer in der Gegend ungewöhnlicherweise kupferne Messer besassen.


Indianer und Metalle

Den meisten ist wohl bekannt, dass die ersten Eroberer und Abenteurer auf den beiden amerikanischen Halbkontinenten vor allem wegen "El Dorado" – "Der Goldenen" gekommen waren. Auf beiden Halbkontinenten waren Gold und Silber bekannt und wurden abgebaut. Die Metalle wurden jedoch nur für Schmuck, Kunst- und Kultgegenstände verwendet.

An der Westküste Kanadas gab es einige wenige Stämme die auch Kupfer kannten. Dieses hatten sie durch Zufall und nur in einer sehr begrenzten Menge gefunden. Den Abbau von Kupfer kannten sie nicht. Auch wurde Kupfer nur für Zeremonien verwendet.

 

So überrascht es, dass indianische Völker auf den Aleuten und in den heutigen Nordwest Territorien Kupfer kannten, abbauten und für Arbeitsgeräte einsetzten. Es ist die einzige Metallbearbeitung, die in präkolumbianischer Zeit auf dem amerikanischen Kontinent bekannt ist.

Was überrascht, weil man von den Bewohnern der Subarktischen Regionen keine so hochspezialisierte Fertigkeit erwartet, da sie im Wesentlichen Jäger, Fischer und Sammler waren. Somit auch einen Halbnomadischen Lebensstil führten.


Wir haben selbstverständlich ein vordringliches Anliegen: unseren platten Reifen zu ersetzen.

Vor über einem Jahr mussten wir im Chilenischen Süden aus der Verlegenheit heraus Reifen kaufen, welche einen etwas kleineren Durchmesser hatten wie unsere alten Reifen. Bei den neuen Reifen wollten wir wieder auf den grösseren Durchmesser wechseln.

Nach einigem Hin und Her, rechnen und abwägen, gehen wir zu einem der grossen Kanadischen Reifenhäuser und wollen uns 5 neue Reifen kaufen – wieder mit unserem alten, grösseren Durchmesser. Leider sind die Reifen nicht lagernd und da es Samstag ist, kann man uns auch nicht sagen, ob es 3-4 Tage oder 2-3 Wochen dauert, bis man diese bekommen kann. Wir sind resigniert. Wir erwägen noch einige Alternativen und fragen schlussendlich den Abteilungsleiter, ob er uns wenigstens mit einem alten Reifen in unserer Dimension dienen könnte.

Als dieser aus dem Lager zurückkommt, zuck er die Schultern und meint, dass es im schrecklich leid tut, er aber nur einen etwas grösseren Reifen hat (zufällig in exakt der Dimension auf welche wir wechseln wollen – das sagen wir ihm aber selbstverständlich nicht). Wir machen ein bedrücktes Gesicht und er hat erbarmen.

Er würde uns einen sehr guten Preis für den Reifen machen können, meint er. 40 Dollar, ob uns das zu viel sei.

Wir schauen uns mit grossen Augen an, wackeln mit dem Kopf und willigen schliesslich ein. Im geheimen Jubeln wir natürlich, denn das ist ein absolutes Schnäppchen. Ein ganz neuer Reifen, dazu in exakt der Dimension welche wir künftig aufziehen wollen und das zu einem unglaublichen Preis!

Um den Reifen montieren zu lassen, müssen wir aber zu einem anderen Reifenhändler. Dort können wir schlecht sagen, dass wir den Reifen soeben bei der Konkurrenz gekauft haben, denn dann müssen wir mit einem hohen Preis für die Montage rechnen. So gehen machen wir eine Runde um den Block und fahren von der entgegenkommenden Seite beim Reifenmonteur vor die Werkstatt – er soll nicht vermuten, dass wir vom Reifenhändler von Gegenüber kommen…

Als erstes fragen wir, ob unser alter Reifen noch zu retten sei – wie erwartet erhalten wir ein Nein zur Antwort. Als nächstes fragen wir, ob er vielleicht 5 Reifen in der von uns gewünschten, grösseren Dimension hat, was er auch wieder verneinen muss. Dann machen wir ein verdriessliches Gesicht und schauen uns hilflos an.

Was sollen wir nur tun, wir können doch so nicht weiterreisen, halten wir im theatralisch entgegen.

Er hat bereits Mitleid mit uns und sucht nach anderen Lösungen, als wir erwähnen, dass wir noch einen Reifen haben, den wir seit Südamerika mitschleppen. Zur Not könnte man ja diesen aufziehen. Zwar sei er nicht in der gleichen Dimension wie die restlichen Reifen, aber zur Not sollte er es tun. Wenn wir dann die neuen Reifen fänden, würden wir diesen dann wegschmeissen, argumentieren wir.

Der Monteur schaut sich den Reifen an und meint, dass der durchaus als Ersatzreifen taugen würde. Für 25 Dollar würde er ihn uns montieren. Als er fertig ist, will er ihn noch auswuchten, doch da winken wir ab, auch wenn er es gratis machen würde. Seine Frau allerdings ist etwas geschäftstüchtiger und verlangt noch 12 Dollar Entsorgungsgebühr für den alten Reifen. Das wollen wir natürlich nicht bezahlen und wollen den Reifen wieder mitnehmen; irgendwo können wir ihn dann bestimmt fachgerecht und kostenlos entsorgen. Als wir hinter dem Auto stehen – ausser Sichtweite der Frau – läuft der Monteur zu uns, zwinkert uns zu und nimmt uns den alten Reifen ab. Alles klar, meint er verschmitzt, ich wünsche euch noch eine tolle Weiterreise.

 

Wir lachen uns ins Fäustchen. Für 65 Dollar haben wir einen neuen Reifen montiert, genauso wie wir ihn wollten. Was für ein Schnäppchen!

 

Den Rest des Tages verbringen wir mit Sightseeing der Stadt. Wer denkt, dass Yellowknife, gleich wie so viele Nordamerikanische Städte keine Seele hat, der täuscht sich. Yellowknife liegt direkt am grossen Sklaven See. Der Ursprung der Stadt liegt am See und erstreckt sich auf einige vorgelagerte Inseln. Es ist pittoresk und allemal eine Besichtigung wert. Viele der Wohnhäuser sind noch im Siedlerstil mit Brettern gebaut. Alle Häuser ruhen auf Holzklötzen, um den Permafrost darunter nicht aufzutauen. Es ist seltsam all die stattlichen Häuser zwei Handspannen über dem Boden schwebend zu sehen. Rund um die Altstadt und deren Inseln schwimmen Hausboote auf dem Wasser. Es sind aber nicht einfach plumpe viereckige Würfel wie andernorts. Hier sind es richtige Häuser mit Giebeldächern, die auf dem Wasser treiben. Im Sommer per Schiff, im Winter zu Fuss und mit dem Auto erreichbar.

Umrandet wird die Stadt von der einmaligen Landschaft aus Granitbuckel, Mooren, Seen und Taiga. Tags zuvor hatten wir diese Landschaft noch als langweilig empfunden, heute staunen wir und sind entzückt über die schöne Aussicht.

 

Diese Nacht stehen wir um Mitternacht bereit und erwarten das Nordlicht. Zwar ist die Show nicht mehr ganz so spektakulär wie in der Nacht zuvor, doch von neuem sind wir von dem Schauspiel beeindruckt. Es ist etwas das einem nicht kalt lässt und immer wieder von neuem fasziniert.

 

Dann ist auch unser Abstecher nach Yellowknife zu Ende. Wir steuern wieder nach Süden. Auf dem Programm sind Edmonton und die beiden Nationalparks Jasper und Banff. Anschliessend wollen wir zur ehemaligen Winterolympia Stadt Calgary, bevor wir uns vom Westen verabschieden.

Ed-Mall-ton

Die Fahrt nach Edmonton dauert 4 Tage. Es sind über 1‘500 km von Yellowknife in den Nordwest Territories (NWT) bis nach Edmonton der Hauptstadt von Alberta. In den NWT hat bereits der Herbst eingesetzt und die Büsche und Wälder überziehen sich langsam mit allen Farbtönen von Gelb bis Rot. Gerade rechtzeitig erreichen wir Alberta, denn am 15. September schliessen alle Campingplätze in den NWT.

Je weiter südlich wir fahren, desto wärmer wird es auch wieder. In Edmonton sind es wieder unglaubliche 30 Grad und wir können wieder unsere kurzen Hosen anziehen.

Als erstes kümmern wir uns um unsere Reifen. Wir wollen einige Tage in Edmonton bleiben und somit bietet sich auch die Gelegenheit, unsere Reifen zu bestellen und notfalls liefern zu lassen.

Als wir bei der hiesigen Niederlassung des grossen Reifenhändlers vorbeigehen, kann man uns die Reifen für den nächsten Tag organisieren. Zwar nur 4 Stück, doch mit unserem Ersatzrad, das die richtige Dimension hat, ist das nicht so wichtig.

Unsere Vorurteile bezüglich Berufsleuten in den Amerikas wird wieder einmal bestätigt als wir das Auto zur Montage der Reifen bringen. Erst würgt der Monteur das Auto auf den 100 Meter bis zur Hebebühne 3 mal ab, dann kann er es nicht auf die Hebebühne fahren, weil er die Breite nicht einschätzen kann und weiter Probleme mit unserem handgeschalteten Fahrzeug hat. Anschliessend schlägt er Paddy's Anweisungen, wo er das Fahrzeug anheben soll und dass der Lift wohl etwas zu schwach sei für unser Auto in den Wind. Erst als wir einschreiten und in bitten das Auto vom Lift zu nehmen, da es zu wackelig ist und er es an den falschen Punkten angehoben hat, berücksichtigt er unsere Anweisungen und fährt auf eine stabile Hebebühne.

Dann braucht er über 2 Stunden um die Reifen zu wechseln. Als Paddy dann die Arbeit begutachtet, merkt er, dass er die Ventile ebenfalls ausgewechselt hat, sie aber mit zu langen ersetzt hat. Für ein Offroad Fahrzeug nicht sehr ideal, da so die Gefahr grösser ist, dass sie im Gelände abgerissen werden können. Also muss er die Reifen nochmals runter nehmen und kürzere Ventile einbauen. Erst eine weitere Stunde später ist er fertig.

3 geschlagene Stunden brauchte der junge Mann um 4 Reifen zu wechseln und auszuwuchten. Bei uns würde eine Firma so schnell pleitegehen – hier offensichtlich kein Problem.

 

Am folgenden Tag erkunden wir die Stadt. Edmonton wurde uns von Bekannten als schöne Stadt empfohlen. Wir sind etwas überrascht, als wir im Zentrum eintreffen. So wirklich begeistern können wir uns nicht. Es ist eine kühle Retortenstadt ohne Atmosphäre. Erst als wir entdecken, dass die gesamte Innenstadt eine riesige Shopping Mall ist, erschliesst sich uns der eigentliche Kern. Wie uns scheint ist die ganze Stadt so gebaut, dass man sie durch Malls in den unteren Stockwerken der Wolkenkratzen durchwandern kann. Die einzelnen Häuser sind mit unter- und oberirdischen Passarellen verbunden. Im Winter ist dies wohl sehr praktisch, muss man so nicht in die Kälte hinaus und kann trotzdem von einem Ende der Innenstadt zum anderen gelangen. Wir nennen Edmonton für uns Ed-Mall-ton, denn das wirklich sehenswerte an der Stadt sind die Malls.

DIE kanadischen Nationalparks

Da wir nun wieder voll ausgerüstet sind, hält uns nichts mehr und wir fahren weiter zu den Nationalparks Jasper und Banff. Es sind die am meist besuchten Parks Kanadas und weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.

Am Abend erreichen wir den Ort Jasper und decken uns mit Informationen ein. Die Fahrt hierher war schon sehr eindrücklich. Aus der flachen Prärielandschaft um Edmonton sind wir in die Rocky Mountains eingefahren. Vorbei an flachen Seen, in denen man viele hundert Meter hinaus spazieren kann, ohne auch nur nasse Knie zu bekommen, hinein in ein immer engeres Tal mit immer höheren imposanten Bergen.

Wir wollen wieder einmal etwas gegen unseren Speck unternehmen und die Landschaft erwandern. Da die Wettervorhersage für die nächsten Tage Regen angesagt hat, nutzen wir die letzten Sonnenstrahlen und unternehmen einige Wanderungen in der Umgebung von Jasper. Als am übernächsten Tag uns am Morgen ein Nieselregen und Wolken begrüssen machen wir uns auf den Weg um über den Icefield Parkway nach Banff zu fahren. Schade eigentlich, denn die Strecke soll die Weltweit schönste Bergstrasse sein – na gut, hierzulande werde viele Dinge mit dem globalen Superlativ angepriesen – doch schön wäre die Aussicht und die Landschaft bestimmt – nur leider sehen wir ausser einer Wolkendecke und Regen nicht viel.

In Lake Louise, einem Ort bekannt für seine wunderschönen, türkisfarbenen Seen, drehen wir eine kurze Runde nur um festzustellen, dass auch hier die Wolken keine Aussicht auf die spektakuläre Landschaft freigeben. Wir fahren direkt nach Banff weiter. In Banff wollen wir warten bis der Regen aufhört und zumindest eine Wanderung unternehmen. Es wäre ja gelacht…!

Als wir in Banff einfahren regnet es. Wir suchen uns ein Kaffee, um unsere E-Mails zu lesen und den den Regen an der Wärme auszusitzen. Da fädelt sich vor uns ein sandfarbener Pinzgauer (Puch) in den Verkehr ein. Klar hat das Auto Schweizer Nummernschilder. Wir folgen ihm und sind neugierig, wer sich mit diesem Gefährt auf die lange Reise begeben hat.

Wie sich später bei einem Kaffe herausstellt, ist es Michel aus dem Aargau. Er hat nach Baltimore verschifft, macht nun die Runde durch Kanada und will anschliessend in den Süden. Wie weit, weiss er noch nicht – vielleicht nach Südamerika, meint er.

Wir fahren gemeinsam zum nahen Campingplatz und verbringen wieder einmal einen Abend auf Schweizerdeutsch – ist schon lange her, seit wir Caroline getroffen haben…

Tags darauf ist das Wetter gut und wir können unsere Wanderung machen. Zwar ist es nur eine kurze, doch der Regen der vergangenen Tage hat den Hochwald herausgeputzt und ihn auch noch mit einigen Schneeflocken geschmückt. Wir erklimmen den Berg durch dichte Wälder mit einem üppigen Bewuchs aus Moos und Flechten. Es ist ein Märchenwald.

Einige Bärenspuren bringen noch etwas Spannung in unsere Wanderung. Wir sind nicht sicher, ob wir uns fürchten oder freuen sollen. Gerne würden wir einen Bären mal so in freier Natur sehen. Bisher sahen wir sie nur aus dem fahrenden Auto und dabei sind wir ihnen nie näher als 100 Meter gekommen.

Andererseits ist es uns auch nicht wohl beim Gedanken, dass wir um eine Ecke biegen und Aug und Aug einem Bär gegenüberstehen könnten. Das ist wohl eine der Erlebnisse, die man besser nicht haben sollte – wenn es sich vermeiden lässt.

So unterhalten wir uns lautstark und klatschen in die Hände, wenn wir zu unübersichtlichen Wegstellen gelangen.

Es ist seltsam. Zu Hause versucht man beim Wandern still zu sein und die Natur zu geniessen. Hierzulande macht man Lärm…

 

Am Abend treffen wir Michel wieder auf dem Campingplatz. Wir haben nach über einem Jahr wieder einmal ein Raclette auf dem Menüplan. Im Supermarkt haben wir Mozzarella mit der Konsistenz von Raclette-Käse gefunden, dazu etwas Blauschimmel-Käse für den Geschmack. Das Raclette ist perfekt – besser könnte man es nur noch mit richtigem Raclette-Käse machen und in einer warmen Stube sitzen.

 

Die Nächte sind bereits bitter kalt. Vor allem da wir uns auf 1600 Metern Höhe befinden. Das Thermometer fällt nachts gegen 0° Celsius und wir verkriechen uns nach Sonnenuntergang schnell in unser Auto.

Leider lässt uns unsere Standheizung weiter im Stich. Manchmal funktioniert sie, manchmal nicht. Manchmal läuft sie sofort an, manchmal muss man lange warten bis sie sich rührt. Letzte Nacht ist sie um 1 Uhr Morgen plötzlich angelaufen und hat uns schwitzend aus dem Schlaf gerissen. Wir zählen nicht mehr auf die Technik – wir fahren in tiefere Lagen und möglichst bald in den Süden. Da ist es dann hoffentlich wieder wärmer.

Olympia Stadt von 1988

Nachdem wir uns den Wanderwunsch erfüllt haben, fahren wir weiter nach Calgary. Petra will unbedingt die Stadt der Olympischen Winterspiele 1988 sehen.

Da wir bereits um die Mittagszeit eintreffen, unternehmen wir unsere Stadtbesichtigung noch am gleichen Nachmittag. Mit dem Zug geht es ins Zentrum. Wie wir zu unserem Erstaunen feststellen, ist Calgary noch ausgeprägter als Edmonton eine einzige riesige Mall. Alle Gebäude der Innenstadt sind miteinander verbunden. In jedem der Blocks und Wolkenkratzer sind die unteren 4 Stockwerke riesige Konsumtempel.

Glücklicherweise hat Calgary aber auch eine schöne Fussgängerzone und auch das grosse Eisstadion und dem darum liegende Gelände der Calgary Stampede sind sehenswert. Die Calgary Stampede ist das (selbstverständlich) weltgrösste Rodeo. Es findet jedes Jahr statt und dauert über eine Woche. Calgary muss in dieser Zeit in einem permanenten Ausnahmezustand sein. Die ganze Stadt ist auf die Stampede eingerichtet und so bilden Western und Country hier das Grundrauschen.